„Reformplan“ nach Krisensitzung im Irak
Die am Dienstag im Irak gegen Korruption und Misswirtschaft ausgebrochenen Proteste haben bereits mindestens 99 Tote und fast 4000 Verletzte gefordert. Nun legte die Regierung einen Reformplan vor.
Die am Dienstag im Irak gegen Korruption und Misswirtschaft ausgebrochenen Proteste haben bereits mindestens 99 Tote und fast 4000 Verletzte gefordert. Nun legte die Regierung einen Reformplan vor.
Die Zahl der Toten seit Beginn der Proteste im Irak gegen Korruption und Misswirtschaft am vergangenen Dienstag ist nach Angaben der irakischen Menschenrechtskommission auf rund 100 gestiegen. Fast 4000 Menschen wurden verletzt. Die meisten Todesfälle wurden aus Bagdad gemeldet, aber auch im Süden des Landes kam es zu staatlicher Gewalt. Nach Angaben von Ärzten wurde die Mehrheit der Opfer durch Schüsse getötet. Außerdem wurden seit Beginn der Proteste mindestens 567 Personen festgenommen, von denen bisher nur 355 wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind.
Die rund 40 Millionen Einwohner*innen des Irak leiden unter den Folgen von Krieg, Arbeitslosigkeit und Korruption. Nachdem die irakische Regierung von Adil Abd al-Mahdi zunächst zu drastischen Massnahmen griff, hatte sie nach Tagen der Gewalt die Forderungen der Demonstranten als „berechtigt” anerkannt. Man sei um eine Lösung bemüht, doch gebe es „keine Zauberformel, um alle Probleme zu lösen”, sagte der Regierungschef in der Nacht zum Freitag im irakischen Staatsfernsehen.
Eine für Samstagnachmittag einberufene Parlamentssitzung wurde allerdings verschoben, nachdem die größte Fraktion zum Boykott aufgerufen hatte. Dies ging auf einen Aufruf des einflussreichen Schiitenführers Moktada al-Sadr zurück, die Regierung von Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi müsse zurücktreten, „um weiteres Blutvergießen zu vermeiden.” Nach dem Rücktritt müsse es außerdem sofortige Neuwahlen unter UN-Aufsicht geben, forderte al-Sadr.
17-Punkte-Plan als Notlösung
Am Samstagabend rief Ministerpräsident al-Mahdi schließlich sein Kabinett zur Krisensitzung zusammen und präsentierte anschließend einen 17-Punkte-Plan. Die Reform umfasse unter anderem eine Aufstockung der subventionierten Wohnungen für Menschen ohne Einkommen. Zusätzlich soll in Basra 17.000 Wohnungslosen innerhalb der nächsten vier Wochen Bauland für Häuser zur Verfügung gestellt werden. Außerdem seien Arbeitslosenleistungen sowie Ausbildungsprogramme und Kleinkreditinitiativen für Jugendliche vorgesehen. Um die Arbeitslosenquote bei Männern im Alter von 18 bis 25 Jahren zu senken, soll freiwilliger Wehrdienst ermöglicht werden. Die Schulden der Landwirte wurden nach Regierungsangaben bis Januar 2020 auf Eis gelegt. Pflegebedürftige und Kranke, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, erhalten Unterstützung von den Gouverneursämtern und zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen. Eine weitere Leistung, die von al-Mahdi angekündigt wurde, seien Auszahlungen an Familien von Demonstranten, die in den letzten Tagen bei den Protesten gegen die Regierung getötet wurden. Solche Hilfen wurden im Irak bisher nur Angehörigen von Sicherheitskräften gewährt, die bei Kriegshandlungen ums Leben kamen. Der 17-Punkte-Plan beinhaltet allerdings nicht die Hauptforderung der Protestierenden, Korruption zu bekämpfen und die Schuldigen strafrechtlich zu verfolgen.
410 Milliarden Euro veruntreut
Seit der US-Invasion 2003 sollen im Irak rund 410 Milliarden Euro veruntreut worden sein. Das Land ist der zweitgrößte Ölproduzent der Opec-Staaten, doch der Großteil der Einnahmen aus dem Ölgeschäft versickert. Im südirakischen Basra, dem Zentrum der irakischen Ölindustrie, kam es bereits 2018 zu schweren Unruhen, nachdem Tausende wegen verdrecktem Trinkwasser in Krankenhäusern behandelt werden mussten.