Irak lehnt Aufnahme von ausländischen IS-Mitgliedern ab

Der Irak ist nicht bereit, europäische IS-Dschihadisten im eigenen Land vor Gericht zu stellen. „Wir übernehmen nur die Verantwortung für unsere eigenen Bürger“, erklärte der irakische Außenminister Mohamed Ali Alhakim.

Der Irak ist offenbar doch nicht bereit, europäische Mitglieder der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) im eigenen Land vor Gericht zu stellen. In einem Gespräch mit der niederländischen Abendzeitung NRC Handelsblad in der irakischen Botschaft in Den Haag sagte Iraks Außenminister Ali Alhakim am Dienstag, seine Regierung werde nur die „eigenen“ in Syrien inhaftierten IS-Dschihadisten zurücknehmen: „Wir übernehmen nur Verantwortung für unsere Bürger, ihre Frauen und ihre Kinder. Für europäische IS-Mitglieder haben wir weder die finanziellen Mittel noch geeignete Gesetze“, erklärte Alhakim.

Der Irak hatte Ende März selbst angeboten, IS-Gefangene europäischer Herkunft, darunter hunderte aus Deutschland, zu übernehmen und in Sondergefängnissen zu inhaftieren. Dafür erwarte das Land aber wirtschaftliche, politische und soziale Unterstützung. Konkret ging es um zehn Millionen Dollar für jeden nicht-irakischen Gefangenen, außerdem jährlich insgesamt 102 Millionen Dollar für Personal, Verwaltung und Betrieb der Haftanstalten. Die Posten könnten unter den Herkunftsländern aufgeteilt werden, schlug Bagdad vor, allerdings untersagte der Irak jede Form von Einmischung.

Die EU-Staaten prüfen schon länger Pläne für die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichts im Irak, vor dem die Verbrechen ausländischer Mitglieder des sogenannten IS verhandelt werden könnten. Der Vorschlag des Irak scheint für die EU-Staaten allerdings wegen der Aussicht auf die Hinrichtung der eigenen Staatsbürger*innen so nicht annehmbar zu sein.

Irak mit Terrorfällen überlastet

Laut Mohamed Ali Alhakim erlaube die derzeitige Gesetzeslage im Irak nicht, Ausländer wegen Verbrechen, die außerhalb seiner Landesgrenzen begangen wurden, vor Gericht zu stellen. Nur wenn europäische IS-Mitglieder wegen des Verdachts, Verbrechen im Irak verübt oder andere dazu angestiftet zu haben, könnte ihnen der Prozess gemacht werden. Aber der Irak werde hoher Wahrscheinlichkeit nach nicht bereit sein, die Todesstrafe abzuschaffen, so Alhakim. Seine Regierung fühle sich nur für die eigenen Bürger*innen verantwortlich. „Das sollten andere Länder auch tun.”

Der Irak sei zudem mit Terrorfällen überlastet: „Im Lager Hol in Syrien sind insgesamt 70.000 IS-Angehörige untergebracht. 30.000 von ihnen sind Iraker. Soll ein Land wie der Irak dann auch noch die restlichen 40.000 aufnehmen? Es gibt außerdem noch ein kleineres Camp mit zwölf bis fünfzehntausend IS-Kämpfern und ein anderes mit 25.000 Kämpfern von al-Nusra. Jeder Fall würde zwei bis drei Jahre dauern. Dafür haben wir zu wenig Richter, Gerichte und Gefängnisse. Wir sind schon besorgt, wo wir die irakischen IS-Kämpfer unterbringen sollen. Wichtiger ist allerdings die Tatsache, dass unsere Gesetze es nicht zulassen, ausländische Kämpfer aufzunehmen“, erklärte Alhakim.

Selbstverwaltung fordert Sondertribunal vor Ort

Widerspruch zu den bisherigen Vorschlägen kommt aber auch aus Rojava. Die nordostsyrische Selbstverwaltung fordert seit Monaten, dass IS-Mitglieder dort vor Gericht gestellt werden müssen, wo sie ihre Verbrechen begangen haben. Für ein Sondetribunal in Rojava sei allerdings logistische und juristische Unterstützung notwendig, um internationalen Konventionen entsprechend vorgehen zu können.

11.000 Gefallene, 25.000 Kriegsversehrte

Im Kampf gegen den IS sind in Nord- und Ostsyrien 11.000 Mitglieder der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) gefallen, 25.000 weitere Kämpferinnen und Kämpfer wurden verletzt.