US-Präsident Joe Biden hat die Verbrechen an den Armenierinnen und Armeniern im Osmanischen Reich offiziell als Genozid eingestuft. „Das amerikanische Volk ehrt all jene Armenier, die in dem Völkermord, der heute vor 106 Jahren begann, umgekommen sind“, hieß es in einer vom Weißen Haus verbreiteten Mitteilung Bidens zum Völkermordgedenktag an diesem Samstag. Den Schritt hatte Biden bereits im Wahlkampf angekündigt. Die türkische Regierung in Ankara hatte die USA davor gewarnt.
„Wir tun dies nicht, um Schuld zuzuweisen, sondern um sicherzustellen, dass sich das, was geschehen ist, niemals wiederholt“ betonte Biden. Die Türkei wies die Erklärung am Samstag umgehend zurück: Sein Land müsse sich von niemandem über die eigene Geschichte belehren lassen, erklärte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Seit Jahrzehnten vermeiden US-Präsidenten, die Gräueltaten an den christlichen Völkern im Osmanischen Reich als Genozid zu bezeichnen – aus Rücksichtnahme auf den Nato-Partner Türkei. Joe Biden bricht nun damit.
Aghet, Katastrophe, oder Mec Eghern, das große Verbrechen, nennt die armenische Bevölkerung den Völkermord von 1915, den die Türkei als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches bis heute nicht eingesteht und in ihrer Geschichtsschreibung als „kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahme“ zu relativieren versucht. Der Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Völkern sowie Eziden im Osmanischen Reich ist der erste systematische Genozid des 20. Jahrhunderts. Ein Verbrechen von ungeheuerlichen Dimensionen, dem Schätzungen nach mindestens 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Den Auftakt des Genozids bildete am 24. April 1915 die Verhaftung der armenischen Elite in der osmanischen Reichshauptstadt Konstantinopel (Istanbul). Daher fällt der Tag des Gedenkens an die Opfer von 1915 immer auf einen 24. April eines Jahres. In Armenien und der Republik Arzach (Bergkarabach) markiert dieses Datum einen nationalen Trauertag.
Bereits im Herbst 2019 hatte zuerst das US-Repräsentantenhaus und kurz darauf der US-Kongress den Genozid an den Armenier*innen als solchen anerkannt. Die Regierung des damaligen Präsidenten Donald Trump betonte anschließend, die rechtlich nicht bindende Resolution, ändere nichts an der Haltung Washingtons. Trump hatte „von einer der schlimmsten Massengräueltaten des 20. Jahrhunderts“ gesprochen, das Wort Völkermord aber vermieden.