UN: Kriegsverbrechen und Folter in Efrîn

In einem Bericht des UN-Menschenrechtsrats zur Menschenrechtssituation in Syrien werden die Kriegsverbrechen protürkischer Milizen in Efrîn dokumentiert.

Der UN-Menschenrechtsrat veröffentlichte einen Bericht über die Lage in Syrien, in dem auch die verheerende menschenrechtliche Situation in Efrîn beschrieben wird. Der Rat beschreibt: „Die bewaffneten Gruppen haben die Provinz de facto in geografische Einflusszonen aufgeteilt. Die Anwohner beschrieben immer wieder chaotische Sicherheitsbedingungen, ein allgemeines Fehlen von Rechtsstaatlichkeit und wiederholte Fälle von Entführungen, Folter, Erpressung und Morden. Solche Menschenrechtsverletzungen durch Fraktionen der syrischen Nationalarmee während des Berichtszeitraums folgten einem anhaltenden und klar erkennbaren Muster.“ Die sogenannte Syrische Nationalarmee ist ein protürkisches Milizbündnis, das mittlerweile für die Türkei formell „Polizei“ und „Armee“ in Efrîn stellen.

Weiterhin berichten die UN von massiven Aufstandsbewegungen und assymetrischer Kriegsführung des Efrîn Widerstands.

Insbesondere Kurdinnen und Kurden von Verschleppungen und Morden betroffen

Die UN schreiben weiter: „Die Opfer von Entführungen durch bewaffnete Gruppen und/oder kriminelle Banden waren oft kurdischen Ursprungs, ebenso wie Zivilisten, die als wohlhabend angesehen wurden, darunter Ärzte, Geschäftsleute und Kaufleute. Die Opfer verschwanden regelmäßig auf Reisen, vor allem an Kontrollpunkten, oder wurden nachts aus ihren Häusern entführt. So dokumentierte die Kommission beispielsweise einen Fall, in dem am 13. Mai zwei Männer und ein Kind mit geistiger Behinderung von einer bewaffneten Gruppe auf der Reise von Efrîn nach Azaz entführt worden waren. Einer der Entführten wurde demnach einige Tage später tot aufgefunden, seine Leiche zeigte Spuren von Folter, während die Entführer ein Lösegeld von 10.000 Dollar für die übrigen Entführten forderten. Aus den bei der Kommission eingegangenen Berichten geht hervor, dass der zweite Mann 40 Tage nach dem Vorfall tot aufgefunden wurde, ebenfalls mit sichtbaren Anzeichen von Folter; danach wurden die Überreste des Kindes gefunden.“

Kritische Aktivist*innen gefoltert und erpresst

Weiter berichten die UN, dass insbesondere kritische Aktivist*innen und Personen, die als der Selbstverwaltung nahestehend betrachtet werden, immer wieder „festgenommen, inhaftiert und gefoltert werden“. Die UN beschreiben folgenden Fall: „So beschrieb beispielsweise ein Befragter, dass er nach seiner Verhaftung durch eine bewaffnete Gruppe im Januar während der Haft schwere Schläge und Verbrennungen erlitten habe. Er sei in Haft geblieben, bis die Summe von 600 Dollar für seine Freilassung bezahlt worden sei.“

Milizen finanzieren sich über Entführungen

Einwohner*innen der Region berichteten gegenüber der Kommission, dass die jüngsten Verhaftungswellen in erster Linie dazu bestimmt seien, Einnahmen für bewaffnete Gruppen zu generieren. In diesem Zusammenhang liegen der Kommission Berichte vor, wonach junge Männer, die wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu kurdischen Strukturen verhaftet wurden, gezwungen werden, eine Geldstrafe von 400 Dollar zu zahlen, um frei zu kommen.

Vertriebene erhalten keinen Zugang zu ihrem Land

Die Kommission berichtet, dass Vertriebene, die an ihren ehemaligen Wohnsitz zurückkommen, häufig keinen Zugang zu ihrem Land und Besitz erhalten, weil es von Mitgliedern bewaffneter Gruppen und ihren Familien besetzt wurde.

Andere waren verpflichtet, bis zu mehreren tausend Dollar zu zahlen, um ihren Besitz und ihre Fahrzeuge zurückzubekommen.

Schutzgelderpressung von Bauern

Aus den bei der Kommission eingegangenen Berichten geht hervor, dass die Landwirte gezwungen waren, „Steuern“ zu zahlen, um ihr eigenes Land zu bewirtschaften. Auch die Olivenbauern mussten einen bestimmten Prozentsatz ihrer Ernte als „Steuern“ an bewaffnete Gruppen abtreten.

Plünderung archäologischer Stätten

Darüber hinaus erhielt die Kommission mehrere Berichte über die Plünderung historischer und archäologischer Stätten durch bewaffnete Gruppen.

Einschränkung von Frauenrechten durch Dschihadisten

Weiter heißt es, dass insbesondere in Gebieten, die unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen stehen, die dschihadistischen Ideologien folgen, in den letzten Monaten schwere Einschränkungen der Rechte der Frauen vorgenommen wurden. Explizit aufgeführt sind hier Ahrar al-Sham, Faylaq al-Sham, Jaysh Usud al-Sharqiyah und Nur al-Din al Zenki. Zu den Verstößen gehören die Einführung strenger Kleiderordnungen für Frauen und Mädchen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Gleichzeitig wurden Frauen und Mädchen von bewaffneten Gruppenmitgliedern schikaniert, insbesondere beim Versuch, Kontrollpunkte zu passieren.

Straflosigkeit durch Besatzungsbehörden

Opfer von Verbrechen durch protürkische Milizen, die Beschwerde bei den örtlichen Räten, der Militärpolizei und türkischen Beamten einreichten, erklärten wiederholt, dass die kontrollierten Parteien entweder nicht bereit oder nicht in der Lage seien, wirksame Rechtsbeihilfe zu leisten. Die Kommission erhielt keine Hinweise darauf, dass die türkischen Behörden in der Lage oder bereit waren, das Fehlverhalten bewaffneter Gruppen zu kontrollieren. Die Kommission hat ebenfalls Berichte erhalten, nach denen Beamte kurdischer Herkunft, die zuvor in Institutionen gearbeitet haben sollen, in hoher Zahl durch Personen arabischer Herkunft ersetzt worden sind. Weiter heißt es: „Die Befragten beschrieben weiterhin Verwaltungs- und Exekutivstrukturen als weitgehend unfähig, Missstände anzugehen, die durch das rechtswidrige Verhalten Dutzender bewaffneter Gruppen hervorgerufen wurden.“

UN: Kriegsverbrechen in Efrîn

Die Kommission schließt mit dem deutlichen Befund: „Die Kommission stellt fest, dass es triftige Gründe zu der Annahme gibt, dass Mitglieder der bewaffneten Gruppen in Efrîn weiterhin Kriegsverbrechen wie Entführungen, grausame Behandlung, Folter und Plünderung begehen.“