Rojava wird permanent von der türkischen Luftwaffe und türkeitreuen Söldnern angegriffen. Türkische Drohnen töten Zivilist:innen, Vertreter:innen der Selbstverwaltung und der Verteidigungskräfte. Gleichzeitig versucht der türkische Staat, die zivile Infrastruktur zu zerstören und so Not und Unfrieden zu stiften. Betroffen von diesen Angriffen ist auch die im Nordosten von Rojava gelegene Region Cizîrê. Im ANF-Interview spricht der Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der Region Cizîrê, Telat Yunus, über die Angriffe und die Verteidigungsmechanismen. Er erklärt, es konnte verhindert werden, dass die Angriffe ihr eigentliches Ziel erreichen.
Seit dem letzten Jahr richten sich die türkischen Angriffe vor allem gegen die Infrastruktur, insbesondere gegen Grundversorgungseinrichtungen für die Bevölkerung. Trotz all dieser Angriffe arbeiten viele dieser Einrichtungen der Selbstverwaltung weiter. Wie kommt das?
Die Angriffe des türkischen Staates auf Nord- und Ostsyrien dauern seit Beginn der Revolution an. Der türkische Staat sieht sich im Recht, seine Absicht, den Willen unseres Volkes zu brechen, mit allen Mitteln zu verfolgen. Er hat es sich zum einzigen Ziel gemacht, die in Nord- und Ostsyrien entstandene Revolution für Demokratie und Freiheit zum Scheitern zu bringen und das Projekt der demokratischen Selbstverwaltung zu eliminieren. Manchmal versucht er, die Region mit aller Gewalt zu besetzen und manchmal geht es einfach darum, die Stabilität und Sicherheit in der Region zu stören. Auf diese Weise will der türkische Staat erreichen, dass die Menschen in der Region in einem Klima der Krise und des Chaos leben. In diesem Sinne wurden bei den jüngsten Angriffen vor allem Einrichtungen der Grundversorgung der Bevölkerung, Dienstleistungseinrichtungen und die Infrastruktur der Region angegriffen. Die Selbstverwaltung hat Einrichtungen geschaffen, um das Leben der Menschen angenehmer zu gestalten und ihre Bedürfnisse zu decken. Genau diese Einrichtungen hat der türkische Staat ins Visier genommen. Auf diese Weise versuchte er, die Fähigkeit der Selbstverwaltung, die Menschen zu versorgen, zu untergraben. Man wollte die Menschen hier, die sich seit Jahren gegen Massaker, Invasionen und mörderische Angriffe zur Wehr setzen, ohnmächtig machen und sie zur Flucht zwingen. Die Angriffe wurden verstärkt, um Erfolge der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) bei ihren Operationen gegen IS-Zellen zu verhindern, den Kampf gegen den Terror zu schwächen, und damit dem IS ermöglichen, in der Region aktiver zu werden.
Die Selbstverwaltung wurde durch eine Revolution der Völker geschaffen. Sie hat ihren Aufbau und ihr Verteidigungssystem immer mit den Menschen gemeinsam entwickelt. Auf dieser Grundlage haben sich sowohl alle Einrichtungen der Selbstverwaltung als auch unserer seit Jahren widerständigen Gesellschaft organisiert. Alle haben ihr tägliches Leben entsprechend dem Krieg, dem Embargo und den Angriffen eingerichtet. Es gibt immer wieder Angriffe, und es gibt eine permanente Embargo- und Isolationspolitik, um die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung einzuschränken und zu neutralisieren. Die Selbstverwaltung hat sich unter diesen Bedingungen organisiert, um alle Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen, und verrichtet ihre Arbeit weiter in diesem Sinne.
Welche Auswirkungen hatten die Angriffe auf das Leben der Menschen und die Infrastruktur der Region?
Die jüngsten Angriffe hatten natürlich sehr ernste Auswirkungen. Vor allem die Angriffe auf die Infrastruktur in Bereichen wie Gesundheit, Wasser, Energie und Treibstoff haben zu Schwierigkeiten geführt, den Grundbedarf der Menschen zu decken. Es gab Probleme bei der Versorgung mit Wasser, Strom und Diesel. Die Selbstverwaltung, die ihr angeschlossenen Institutionen und die Bevölkerung handelten gemeinsam. Dank dieser Einigkeit gab es gegenüber den Angriffen keinen einzigen Schritt zurück. Alle leisteten, ohne Zeit zu verlieren, ihren Beitrag. Die Bevölkerung, die gesellschaftlichen Selbstverteidigungskräfte und die Einrichtungen der Selbstverwaltung haben große Anstrengungen unternommen, um den Betrieb an den zerstörten und beschädigten Einrichtungen wiederherzustellen. So konnte in kurzer Zeit und mit den begrenzten Mitteln, die den Menschen zur Verfügung standen, zumindest der Mangel an Wasser, Brot, Diesel und Strom bis zu einem gewissen Grad behoben werden. Auf diese Weise konnte eine größere Krise verhindert werden. Die wirksamste Antwort auf diese Angriffe des Feindes war die ununterbrochene Arbeit der Bevölkerung, der Verwaltung und unserer Institutionen rund um die Uhr.
Aufgrund dieser Angriffe verzögerte sich die Deckung des Winterbedarfs der Bevölkerung. Insbesondere gab es Schwierigkeiten bei der Bereitsstellung des Grundbedarfs an Diesel und Strom. Die Region befindet sich seit Jahren im Krieg, ist ständigen Angriffen ausgesetzt und die Infrastruktur der Region hat durch diese Angriffe bereits große Schäden erlitten. Diese Angriffe haben die Situation weiter verschlimmert. Die Selbstverwaltung hat sich auf alle Arten von Krieg und Angriffen eingestellt und arbeitet weiter daran, alle Bedürfnisse der Menschen rechtzeitig zu befriedigen. Unabhängig von der Form der Angriffe unternimmt sie alle Bemühungen, um weiteren Schaden von der Bevölkerung abzuwenden und ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Sie haben erklärt, dass die Schäden teilweise kompensiert wurden und die Bedürfnisse der Menschen erfüllt wurden. Sind weitere Probleme auch langfristig zu erwarten?
Betroffen waren vor allem Diesel-, Strom-, Benzin-, Wasser- und Energieversorgungseinrichtungen. Außerdem gibt es ein Embargo über die Region, die eingekreist ist. Natürlich braucht es Zeit, bis die Infrastrukturen repariert und wieder wie früher genutzt werden können. Außerdem braucht man Zeit, um die defekten Teile wieder zu beschaffen. In der Zukunft wird es deshalb Probleme geben. Vor allem werden Probleme mit der Versorgung mit Diesel und Strom auftreten. In dieser Region besteht ein großer Bedarf an Diesel sowohl im Winter als auch zu Beginn der landwirtschaftlichen Saison. Wir bemühen uns bereits mit allen Mitteln, damit die Bevölkerung nicht in eine größere Krise gerät. Die Selbstverwaltung hat alle ihre Mittel für diese Ausnahmesituation mobilisiert.
Sie haben gesagt, dass eines der Ziele des türkischen Staates darin bestünde, die Menschen dazu zu zwingen, zu fliehen und die Region zu verlassen. Mit der Zunahme der Angriffe wird jedoch der Widerstand der Menschen immer stärker. Worauf führen Sie das zurück?
Trotz all dieser Angriffe stand die Bevölkerung immer hinter ihren eigenen Institutionen und Verteidigungskräften. Die Menschen haben ihre Orte nicht verlassen. Alle erfüllten ihre Aufgaben. Unser Volk hielt entschlossen an seiner Entscheidung zum Widerstand fest. Diese Haltung und Beharrlichkeit des Volkes hat nicht nur dafür gesorgt, dass die Angriffe nicht die gewünschten Ergebnisse erzielten, sondern auch den Verteidigungskräften und den Institutionen der Selbstverwaltung große Unterstützung gebracht. Natürlich ist es das natürlichste Recht unseres Volkes zu verlangen, dass vor allem seine Grundbedürfnisse befriedigt werden. Die Selbstverwaltung kommt aus dem Volk und gehört dem Volk. Sie ist stets bestrebt, die Bedürfnisse und die Sicherheit der Menschen und der Gesellschaft zu gewährleisten. Natürlich wird sie dies gemeinsam mit der Bevölkerung tun. Ohne das Volk kann die Selbstverwaltung sowohl bei der Befriedigung der Bedürfnisse als auch im Kriegsfall nicht erfolgreich sein. Wenn das Volk und die Selbstverwaltung zusammenstehen und gemeinsam handeln, dann wird der Erfolg und der Sieg dem widerständigen Volk gehören.