Völkerrechtswidrige Besatzung
Unter dem zynischen Namen „Operation Olivenzweig“ startete die Türkei am 20. Januar 2018 aus kolonialistischem Selbstverständnis heraus einen Angriffskrieg gegen Efrîn (Afrin), der am 18. März desselben Jahres in die Besetzung der historisch kurdischen Region mündete. Die Konsequenz: Hunderttausende Menschen aus der angestammten Bevölkerung wurden vertrieben und an ihrer Stelle islamistische Familien angesiedelt, die aus anderen syrischen Gebieten und arabischen Ländern stammen. Aus der einst sichersten Region Syriens wurde eine riesige Terrorzone; Entführungen, Morde, Vergewaltigungen und Raubzüge sind zum Teil des traurigen Alltags in Efrîn geworden. Die türkischen Besatzer und ihre dschihadistischen Partner machen sich täglich für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, doch die internationale Gemeinschaft schweigt beharrlich.
„Die Tatsache, dass der Westen – und mit ihm der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – an dieser Haltung festhält und ignoriert, was unter dem Besatzungsregime in Efrîn seit sechs Jahren vor sich geht, bedeutet eine Mitschuld am Genozid an den Kurdinnen und Kurden Efrîns und dem Ökozid und Ethnozid, der in unserer Heimat begangen wird.“ Das waren Worte von Fewzî Mistefa, dem Ko-Vorsitzenden des Kreisrats von Ehdas, der in dem Ort als Redner einer Demonstration anlässlich des Jahrestages der Besatzung Efrîns auftrat. In die Gemeinde bei Tel Rifat, die ohnehin schon zahlreiche Vertriebene aus dem ehemaligen Kanton beherbergt, strömten am Montag weitere Geflüchtete aus der Region, um sich an dem Protest zu beteiligen. Viele Menschen trugen einen Olivenzweig als Friedenssymbol, auf zahlreichen Plakaten blickten die Konterfeis von Gefallenen des Efrîn-Widerstands auf die Menge. Lautstark und kämpferisch brachte die Menge ihre Verbundenheit mit den Toten zum Ausdruck – „Şehîd namirin!“, auf Deutsch „Die Gefallenen sind unsterblich“ hallte durch Ehdas.
Xedîce Îbo, eine Aktivistin vom Rat der Angehörigen von Gefallenen, sprach ebenfalls klare Worte. Mit der Besatzung Efrîns sei der „neo-osmanische Expansionismus des türkischen Staates in die Praxis umgesetzt“ worden. Das Völkerrecht werde auch über die Besatzung hinaus verletzt. „In völliger Ignoranz der Menschenrechte und ethischer Grundsätze finden brutale Verbrechen und Gräueltaten statt. Unser verbliebenes Volk in Efrîn ist Morden, Entführungen, Vergewaltigungen und Plünderungen ausgesetzt. Die Barbaren werden nicht müde, kurdisches Blut zu vergießen. Als Vertriebene und Angehörige von Menschen, die im Widerstand für ein freies Efrîn ihr Leben verloren haben, rufen wir dazu auf, den Kampf um die Befreiung unserer besetzten Regionen auszuweiten und die Eindringlinge endgültig zu vertreiben.“