Mazlum Abdi: Die Verhandlungen gehen weiter

Die indirekten Gespräche mit dem türkischen Staat gehen weiter, erklärt der QSD-Kommandant Mazlum Abdi. Ein endgültiges Abkommen über eine Pufferzone in Nordsyrien ist noch nicht getroffen.

Nach Angaben von Mazlum Abdi, dem Generalkommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), gibt es noch kein endgültiges Abkommen über die Einrichtung einer Pufferzone in Nordsyrien. Die indirekten Verhandlungen zwischen den QSD und der Türkei dauern an. Bei den Gesprächen der vergangenen Tage zwischen den USA und der Türkei sind laut Abdi sowohl Vorschläge der QSD als auch des türkischen Staates thematisiert worden. Der QSD-Vorschlag beinhaltet demnach die Sicherheit an der gesamten Grenze in Nordsyrien.

Gegenüber ANHA hat sich der QSD-Kommandant in einem Interview zum aktuellen Stand in Nordsyrien geäußert. Wir geben das Interview leicht gekürzt wieder:

Überall wird über eine „Sicherheitszone“ oder „Pufferzone“ in Nordsyrien diskutiert. Wie benennen Sie dieses geplante Gebiet?

Das eigentliche Thema ist die Grenzsicherheit. Wie allgemein bekannt ist, gibt es mit der Türkei ein Sicherheitsproblem in der Grenzregion. Von einigen Seiten wird die geplante Zone als „Sicherheitszone“ bezeichnet. Das kann man machen, man kann es auch anders nennen. Wesentlich ist jedoch der gemeinte Inhalt, und das ist die Grenzsicherheit.

Zwischen den USA und der Türkei hat es dreitägige Gespräche gegeben. Haben Sie als QSD Ihre Meinung dabei einbringen können?

Es handelt sich dabei um einen langen Prozess. Als die USA Ende vergangenen Jahres ihren Rückzug aus der Region angekündigt haben, hat der türkische Staat sofort mit einer Invasion gedroht. Deshalb haben wir die Errichtung einer solchen Zone gefordert. Wir wissen nur zu gut, dass Rojava und Nordostsyrien keine Gefahr für den türkischen Staat darstellen. Es gab überhaupt keinen Anlass für die Türkei, einen solchen Vorwand hervorzubringen. Daher haben wir den USA unseren Wunsch erklärt, dass zwischen uns und dem türkischen Staat vermittelt und das Problem über einen Dialog gelöst wird. Dieser Prozess dauert seitdem an. Dabei sind mehrere Etappen durchlaufen worden. Es haben diverse Gespräche stattgefunden, der türkische Staat hat seine Drohungen auf höchste Ebene gebracht. Damit ist die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs weiter gestiegen. Mit den Angriffsdrohungen haben sich natürlich auch die Initiativen der Vermittler verstärkt. Die jüngsten Gespräche haben in unserem Wissen stattgefunden.

Also ist Ihre Meinung bei den Gesprächen zwischen den USA und der Türkei in Ankara diskutiert worden?

Ja, so ist es. Als die „Sicherheitszone“ erstmalig ins Gespräch gebracht wurde, haben wir als QSD unsere eigenen Vorschläge vorgelegt und erklärt, was wir uns darunter vorstellen. Unser Projekt haben wir den USA dargelegt. Die türkische Seite hat eine eigene Meinung zu diesem Thema. In den Gesprächen wird über diese beiden Ansichten verhandelt. Die Türkei hat bisher kontinuierlich auf ihren eigenen Forderungen beharrt. Meiner Meinung nach ist unser Projekt sehr nachvollziehbar und vernünftig. Es berücksichtigt die Sicherheitsbedenken beider Seiten. Deshalb gehe ich davon aus, dass es wesentlich sein wird.

In den Medien sind zahlreiche Berichte über die Gespräche in Ankara erschienen. Es gab verschiedene Kommentare und in einigen Meldungen sind sogar die vermeintlich getroffenen Entscheidungen aufgezählt worden. Offiziell gibt es jedoch noch keine Erklärung zu den Einzelheiten. Es wird über das Ausmaß der geplanten Zone und die Öffnung des Luftraums für die Türkei spekuliert. Können Sie uns sagen, was wirklich in Ankara beschlossen worden ist?

Zunächst möchte ich festhalten, dass die Gespräche noch nicht abgeschlossen sind. Die aktuelle Situation stellt für uns ein Problem dar, weil der türkische Staat ständig mit einem Krieg droht. Für uns ist wichtig, dass die Probleme über einen Dialog gelöst werden. Wir haben kein Interesse an einem Krieg.

Sie haben bereits früher einmal erklärt, dass indirekte Gespräche mit der Türkei stattfinden.

Ja, die USA betätigen sich zurzeit als Vermittler zwischen uns und der Türkei. Sie übermitteln uns ständig die Meinung des türkischen Staates und umgekehrt. Beide Seiten teilen mit, welche Punkte sie akzeptieren und welche nicht. Das Abkommen, das zwischen den USA und der Türkei geschlossen und veröffentlicht worden ist, verweist darauf, dass die Verhandlungen weitergehen. Das betrachten wir als positiv. Es beinhaltet noch keine Einzelheiten.

Es wird darüber spekuliert, dass eine Einigung über eine „Sicherheitszone“ zwischen Girê Spî und Serêkaniyê erzielt worden ist und dieses Gebiet zwischen fünf und 14 Kilometer ins Landesinnere reichen sollen. Können Sie dazu etwas sagen?

Ich kann an dieser Stelle etwas zu unserem Vorschlag sagen. Unser Projekt beinhaltet das gesamte Gebiet zwischen dem Tigris und dem Euphrat. Wir wollen nicht nur ein Teilgebiet, das haben wir abgelehnt. Sollte es ein Abkommen geben, muss es für ganz Nord- und Ostsyrien gelten. Das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris muss fünf Kilometer ins Landesinnere reichen. Zwischen Girê Spî und Serêkaniyê geht es an manchen Stellen um neun Kilometer und in einem sehr kleinen Bereich um bis zu 14 Kilometer.

An welcher Stelle sollen es 14 Kilometer sein?

Die Stelle liegt zwischen Girê Spî und Serêkaniyê. Dort verläuft ein Bach, der die Grenze bildet.

Also ist noch keine eindeutige Entscheidung zur Frage einer „Sicherheitszone“ zwischen Girê Spî und Serêkaniyê gefallen?

Nein, eine solche Entscheidung gibt es nicht, aber es gibt die Forderung, dass in diesem Gebiet mit der Errichtung begonnen werden soll. Danach kommen die Regionen Kobanê, Qamişlo und Dêrik.

Warum möchten Sie, dass dieses Gebiet die gesamte Grenzregion umfasst? Und warum will der türkische Staat ausgerechnet das Gebiet zwischen Girê Spî und Serêkaniyê?

Wenn es eine Einigung gibt, soll sie unserer Meinung nach allgemein sein und nicht nur für eine Region gelten. Rojava und Nordostsyrien sind ein Gebiet, es gibt keinen Unterschied zwischen einzelnen Orten. Richtig, in Girê Spî und Serêkaniyê leben mehrheitlich arabische Menschen, aber auch diese Region ist ein Teil Syriens. Sie ist nicht anders als Kobanê, Qamişlo und Dêrik. Ein Abkommen muss daher für alle Bereiche in Syrien gelten, die von uns kontrolliert werden. Praktisch ist es jedoch nicht möglich, ein solches Abkommen zeitgleich überall umzusetzen. Der türkische Staat hat eine Region genannt, die den Anfang bilden soll. Für uns ist es kein großes Problem, wo der Anfang gemacht wird.

Welche Kräfte werden in der zu errichtenden Zone vertreten sein und wer übernimmt die Koordinierung?

Laut dem bisherigen Abkommen ziehen wir unsere Kräfte fünf Kilometer zurück. An ihre Stelle kommen lokale Kräfte, also die Militärräte, die aus ortsansässigen Menschen gebildet worden sind. Sie werden mit den Kräften der internationalen Koalition zusammenarbeiten und für die Sicherheit sorgen.

Es wird auch darüber spekuliert, ob der Luftraum über der Sicherheitszone von der Türkei genutzt werden wird. Gibt es einen solchen Beschluss?

Nein, das ist zwar gefordert, aber nicht akzeptiert worden. Wir würden es niemals akzeptieren. Es besteht auch gar kein Bedarf. Die als „Sicherheitszone“ bezeichneten Gebiete sind ohnehin von türkischen Aufklärungsdrohnen einsehbar. Wenn sie jedoch auch über diesem Gebiet fliegen dürfen, kann auch eine Aufklärung über weiterreichenden Gebieten stattfinden und das wäre riskant.

Aus der Türkei wurde erklärt, dass in dem einzurichtenden Friedenskorridor Flüchtlinge aus Syrien untergebracht werden sollen. Was sagen Sie dazu?

Dazu möchte ich zunächst sagen, dass der Begriff „Friedenskorridor“ nur vom türkischen Staat genutzt wird. Er ist erstmalig im türkischen Sicherheitsrat verwendet worden. Für uns hat diese Bezeichnung keinen offiziellen Wert. Unsere Gebiete sind sowieso schon immer die sichersten und friedlichsten Gebiete in Syrien. Darüber hinaus haben wir bereits mehrmals erklärt, dass wir uns eine Rückkehr der Menschen aus der Region wünschen. Dabei geht es allerdings nur um solche, die auch aus Nord- und Ostsyrien stammen. Außerdem setzen wir die Bedingung, dass alle, die sich an der Bevölkerung schuldig gemacht haben und von uns gesucht werden, vor Gericht gestellt werden.

Sie haben gesagt, dass die Verhandlungen noch andauern. Was für eine Auswirkung wird es auf Gebiete wie Dscharablus, Azaz, Bab und vor allem Efrîn haben, wenn die Gespräche zu einem positiven Abschluss kommen?

Ich bin davon überzeugt, dass im Falle eines Abkommens zu Nord- und Ostsyrien die Besatzung in den von Ihnen genannten Orten und insbesondere in Efrîn geschwächt wird. Damit würde die Wahrscheinlichkeit, dass die Besatzung vollständig beendet wird, sehr viel größer werden.

Trotz der laufenden Verhandlungen dauern die Drohungen türkischer Politiker weiter an. Was soll damit erreicht werden?

Die Drohungen zeigen nicht die Stärke des türkischen Staates, sondern seine Schwäche. Wir wissen, dass es dort interne Probleme gibt. Allen Seiten ist klar, dass deshalb immer auf die äußeren Probleme verwiesen wird. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit soll aufs Ausland gerichtet werden. Da wir den türkischen Staat kennen, wundert uns das nicht. Als QSD betrachten wir die Angelegenheit jedoch aus militärischer Sicht. An unserer Grenze findet immer noch eine türkische Truppenkonzentration statt. Die Kriegsgefahr ist keinesfalls vorbei und es ist nicht sicher, wie die Gespräche ausgehen werden. Daher müssen wir unseren Kampf weiter führen, auch die Bevölkerung muss ihren Widerstand ausweiten.