Der stellvertretende Ko-Vorsitzende der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, Bedran Çiya Kurd, beschreibt die Angriffe der türkischen Armee auf Rojava, Şengal und Mexmûr am Dienstagabend als direkte Reaktion des türkischen Staats auf den Sieg der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) über den IS bei dessen Großangriff am 20. Januar in Hesekê.
Wie beurteilen Sie die zeitgleichen Angriffe des türkischen Staates auf die Regionen Rojava, Şengal und Mexmûr in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch?
Es wird eine Politik der Massaker gegen die Völker der Region praktiziert. Die Menschen hier sollen umgebracht werden. Jedes Mal, wenn Angriffe scheitern, will der türkische Staat die Aggression mit neuen Formen von Attacken am Leben erhalten. Jeder weiß, dass Rojava eine große Rolle beim Ende des IS gespielt hat. Das war auch ein Sieg über diejenigen, die hinter dem IS stehen. Diese Kräfte scheiterten. Der türkische Staat wollte darauf sofort eine Antwort geben.
„Der türkische Staat will den IS wieder in die Region bringen“
Gibt es einen Zusammenhang mit den Angriffen von Hesekê am 20. Januar?
Am 20. Januar, dem Jahrestag der Ausrufung der Selbstverwaltung der Region Cizîrê, ging der IS in Hesekê in die Offensive. Dank des Kampfes unserer Kräfte und unseres Volkes scheiterte dieser Angriff und die Pläne des IS wurden durchkreuzt. Es war klar, dass der türkische Staat hinter diesem Angriffsplan steckte. Als der IS besiegt wurde, griff der türkische Staat selbst direkt ein und wollte Rache für den IS zu nehmen. Dasselbe geschah in Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî. Der türkische Staat mobilisiert alle seine Mittel, um Frieden- und Stabilität in der Region zu stören. Damit sollte der IS wiederbelebt werden.
Zwölf Tage lang gab es permanente Angriffe von Hesekê bis Deir ez-Zor, von Raqqa über Ain Issa bis Şehba. Wie ist dies zu betrachten?
Es ist offensichtlich, dass der IS und der türkische Staat als strategische und ideologische Partner koordiniert agieren. Zeitgleich mit dem IS-Angriff in Hesekê begann der türkische Staat Ain Issa anzugreifen. Damit wurde versucht, den Kessel in Hesekê zu durchbrechen. Gleichzeitig gab es Angriffe in Til Temir. Es wurden Fahrzeuge angegriffen, die von Til Temir nach Hesekê fuhren, um dort in den Kämpfen gegen den IS Unterstützung zu leisten.
„Die Menschen von Şengal werden ihre Existenz verteidigen“
Warum wurde Şengal als Fokus der Angriffe ausgewählt?
Damit soll klargestellt werden, dass der türkische Staat den Willen der Bevölkerung von Şengal nicht akzeptiert. Es ist nicht erwünscht, dass sich die Menschen von Şengal selbst verwalten. Aus diesem Grund wurden viele Führungspersönlichkeiten aus der Selbstverwaltung von Şengal gezielt ermordet. So wie der IS 2014 Şengal angriff, dort Kriegsverbrechen beging und die Menschen massakrierte, setzt der türkische Staat diese Angriffe fort und beweist damit, dass er selbst hinter den IS-Angriffen steckt. Der türkische Staat hat die Befreiung von Şengal nicht verdauen können. Er greift immer wieder an. Die Menschen von Şengal werden ihre Existenz verteidigen und ihr Wille wird siegen.
„Schweigen schafft die Grundlage für die Angriffe“
Wie beurteilen Sie das Schweigen der internationalen Mächte gegen die Angriffe?
Es finden außerdem permanente Angriffe auf die Bevölkerung von Mexmûr statt. Ein von den Vereinten Nationen kontrolliertes Lager wird vor den Augen der Welt bombardiert. Das ist ein Kriegsverbrechen. Der türkische Staat begeht dieses Verbrechen aktuell. Flüchtlinge werden von Kampfflugzeugen bombardiert. Gegen diese Angriffe des türkischen Staates muss Haltung bezogen werden. Das Schweigen der internationalen Gemeinschaft und der UN stellt eine Ermutigung für diese Angriffe dar. Ermutigt durch das Schweigen der Koalitionskräfte wie den Vereinigten Staaten und durch das Schweigen Russlands startet der türkische Staat seine Angriffe.
Dieses Schweigen schafft die Grundlage für die Angriffe. Der türkische Staat setzt seine mörderischen Angriffe fort. Deswegen appellieren wir an alle, sich gegen diese Politik des türkischen Staates zu stellen. Die Angriffe der türkischen Regierung stärken dschihadistische Gruppen und stürzen die Region ins Chaos. Der türkische Staat stellt eine Bedrohung für die gesamte Region und sogar für die ganze Welt dar. Die Länder, die heute aus ihren eigenen Interessen heraus zu diesen Angriffen schweigen, werden morgen am meisten unter dem türkischen Staat und seinen dschihadistischen Gruppen leiden. Wir betrachten diese Länder als verantwortlich für die Angriffe.
„Unser Volk muss auf die Straße gehen“
Die Angriffe richten sich gegen den Willen des Volkes. Was sagen Sie dazu?
Wenn der türkische Staat glaubt, dass seine Angriffe den Willen unseres Volkes in Rojava, Şengal, Mexmûr, Başûr und Bakur schwächen werden, liegt er falsch. Es wird ihm niemals gelingen, den Willen unseres Volkes zu brechen. Im Gegenteil, die Angriffe werden unseren Willen stärken. So wie unser Volk gestern und heute Widerstand geleistet hat, wird es morgen ebenfalls Widerstand leisten. In diesem Sinne werden wir als Selbstverwaltung unseren Kampf gegen die Angriffe des türkischen Staates auf allen Ebenen fortsetzen. Unser Volk muss gegen die Angriffe auf die Straßen gehen und gegen dieses Vernichtungskonzept kämpfen.