Flugverbotszone über kurdischen Gebieten gefordert

Die Theatergruppe Em Sanogerin und die Volksbühne Basel verurteilen die tödlichen Luftangriffe der türkischen Armee auf Mexmûr, Şengal und Rojava und fordern eine Flugverbotszone über den kurdischen Gebieten im Irak und in Syrien.

Die türkische Luftwaffe hat am Dienstagabend eine massive Angriffswelle auf das ezidische Siedlungsgebiet Şengal, das Geflüchtetencamp Mexmûr und die Umgebung von Dêrik in Rojava geflogen. Bei den Angriffen wurde eine unbekannte Anzahl Menschen getötet, Dutzende wurden verletzt. In Mexmûr werden heute zwei Todesopfer beerdigt. Bei den Toten soll es sich um Mitglieder der Selbstverteidigungskräfte aus dem Camp handeln.

Die Volksbühne Basel und die Theatergruppe Em Sanogerin fordern eine Flugverbotszone für die türkische Armee über Mexmûr, Şengal und Rojava und teilen dazu mit:

„Gestern Nacht (1. Februar) erreichte uns die Nachricht, dass das Flüchtlingscamp Machmur im Irak von türkischen Kampfjets bombardiert wird. Das Camp liegt 400 Kilometer entfernt von der türkischen Grenze. Gleichzeitig wurde das ezidische Siedlungsgebiet Shengal an drei Orten bombardiert, u.a. die Hochebene Serdescht, auf der die Geflüchteten leben, und in Rojava (Nordsyrien) ein Dorf in der Nähe von Dêrik. Mit Menschen aus Machmur haben wir telefoniert - aus den anderen Regionen haben wir bisher keine näheren Informationen. In Machmur gibt es eine grosse Anzahl verletzter Menschen, darunter viele Schwerverletzte und eine Tote. Ein beissender Geruch breitete sich nach der Bombardierung aus - es wird davon ausgegangen, dass das türkische Militär chemische Waffen eingesetzt hat. Wir sind wütend und wollen nicht schweigen. Wir haben mit den Menschen in Machmur während unserer Arbeit zusammengelebt, Einblick in ihr Leben und die Strukturen bekommen und waren tief beeindruckt davon, was dort aufgebaut wurde und wird.“

Die Regie-Schauspiel-Dozentin Anina Jendreyko berichtet in einem eindrucksvollen Video von der Theaterarbeit in Mexmûr im Frühjahr 2021. Im November vergangenen Jahres war die Theatergruppe erneut in dem Flüchtlingscamp, in dem rund 12.000 Menschen leben.

Konkrete und vielfältige Solidarität gefordert

In der Erklärung heißt es weiter: „Die Bevölkerung in Shengal, Maxmur und Rojava soll mit den Angriffen in Panik versetzt und eingeschüchtert werden, mit dem Ziel, das Land zu verlassen und sich von der Befreiungsbewegung zu distanzieren. Die Bevölkerung in Maxmur ist vor mehr als 27 Jahren aus der Türkei geflüchtet, vor Terror und Vernichtung. In ihrem selbstverwalteten Flüchtlingscamp haben sie ein Gesellschaftsmodel aufgebaut, das sich an den Werten des Menschseins orientiert, basisdemokratisch, gleichberechtigt und zukunftsweisend, orientiert an der Philosophie Abdullah Öcalans.

Dasselbe gilt für die Bevölkerung in Shengal und Rojava. Sie lassen sich nicht vertreiben! Denn das, was sich die Bevölkerung gemeinsam mit der Befreiungsbewegung in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat, ist eine reale und ernstzunehmende Möglichkeit eines Lebens, fernab von Ausbeutung, Krieg und Zerstörung. Sie brauchen unsere konkrete und vielfältige Solidarität.“

Die Theatergruppe Em Sanogerin und die Volksbühne Basel rufen dazu auf, eine Öffentlichkeit zu schaffen zu den Errungenschaften der Bevölkerung in Mexmûr, Şengal und Rojava und Druck auf die europäischen Regierungen aufzubauen, damit endlich eine Flugverbotszone über den kurdischen Gebieten im Irak und Nordsyrien eingerichtet wird, um die Bevölkerung zu schützen. Gefordert wird außerdem ein sofortiger Stopp aller Waffen- und Einzelteilexporte in die Türkei.

Hintergrund: Das Flüchtlingscamp Mexmûr

Das Camp Mexmûr liegt etwa 60 Kilometer südwestlich von Hewlêr (Erbil), der Hauptstadt der Kurdistan-Region Irak (KRI). Seit Juli 2019 steht es unter einem Embargo der südkurdischen Regierungspartei PDK. Ende Dezember wollten irakische Truppen das Camp mit Stacheldraht einzäunen. Nach heftigen Protesten zogen sich die irakischen Kräfte vorerst zurück.

Im Flüchtlingslager Mexmûr leben mehr als 12.000 Menschen. Die meisten von ihnen waren in den 1990er Jahren aufgrund der Repression des türkischen Staates und der Politik der verbrannten Erde gezwungen, ihre Dörfer in der Botan-Region in Nordkurdistan zu verlassen. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben sie 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit. Offiziell steht Mexmûr unter dem Schutz des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), die allerdings nur noch nominell präsent sind. Die Organisation verließ das Lager bei den Angriffen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 und kehrte danach nicht mehr zurück.