Die kirgisische Regierung hat 21 Frauen aus dem Nordosten von Syrien zurückgeholt, die sich vor Jahren der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen haben. Die Autonomieverwaltung (AANES) übergab auch 62 Kinder der IS-Anhängerinnen in die Obhut der aus Bischkek angereisten Regierungsdelegation, die vom kirgisischen Außenamtsdiplomaten Bakit Kadyrow geleitet wurde. Laut Fanar al-Kaeet, stellvertretender Ko-Vorsitzender der AANES-Abteilung für auswärtige Angelegenheiten, handelte es sich bereits um die dritte Rückführungsaktion kirgisischer Staatsangehöriger in diesem Jahr. Zuvor waren im August und Februar insgesamt 154 Frauen und Kinder von IS-Dschihadisten aus der nordostsyrischen Autonomieregierung in ihre Heimat repatriiert worden.
Der Unterzeichnung des Übergabeprotokolls zwischen der AANES und Kirgisistan wohnten auch Lana Hesen, Vertreterin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), sowie Xalid Îbrahîm vom Lenkungsausschuss der Selbstverwaltung bei. Während des Treffens erörterten beide Seiten die Beziehungen zwischen der AANES und der Republik Kirgisistan sowie sicherheitspolitische Aspekte. Al-Kaeet legte den Fokus auf die Angriffe der Türkei in der Region und wies darauf hin, dass die türkische Militärgewalt der vergangenen Wochen fast die gesamte Infrastruktur Nord- und Ostsyriens vernichtet habe.
Die kirgisische Delegation mit der AANES-Vertretung
Mehr Sicherheit in Rojava bedeutet auch mehr Sicherheit überall sonst
„Diese Angriffe führen nicht nur zu einer Destabilisierung der Region, zugleich bedeuten sie auch ein Erstarken des sogenannten IS und eine weitere Eskalation“, betonte der AANES-Beamte. Er kritisierte, dass die Türkei mit ihren völkerrechtswidrigen Angriffen den Syrien-Krieg befeuere und die humanitäre Krise im Land verschärfe. „Dieses politische und menschliche Desaster hätte verhindert werden können. Doch durch das Schweigen der internationalen Gemeinschaft wurden sie erst ermöglicht“, sagte Al-Kaeet und betonte, dass die AANES ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den IS und anderen dschihadistischen Gruppen sei. Mehr Sicherheit in dieser Region bedeute auch mehr Sicherheit überall sonst.
Weitere Missionen in Planung
Bakit Kadyrow fand unterstützende Worte für die Forderung der Autonomieverwaltung an die Vereinten Nationen (UN), eine Tatsachenermittlungskommission nach Nord- und Ostsyrien zu entsenden, um die Kriegsverbrechen der Türkei zu untersuchen. Zudem bedankte er sich bei der AANES für die „gute Kooperation“ bei der Rückführung kirgisischer Frauen und Kinder, die zuvor in Auffanglagern wie Roj und Hol festgehalten wurden, und würdigte die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) für ihre „Opferbereitschaft“ und ihr fortgesetztes Engagement im Kampf gegen den IS. Darüber hinaus kündigte Kadyrow an, dass weitere Rückführungsmissionen bereits in Planung seien.
Unterzeichnung des Rückführungsprotokolls
Internierte IS-Angehörige in Nordostsyrien
Seit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des sogenannten IS im März 2019 ist die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien mit mehr als 10.000 inhaftierten IS-Dschihadisten aus rund sechzig verschiedenen Staaten – etwa 2.000 von ihnen kommen aus westlichen Ländern – und zehntausenden teilweise hochgradig fanatisierten Familienangehörigen konfrontiert. Allein im Lager Hol nahe Hesekê sind derzeit rund 50.000 Personen untergebracht. Die meisten stammen aus Syrien und Irak, andere aus Europa, dem Kaukasus, Nordafrika und dem Mittleren und Fernen Osten. Etwa die Hälfte ist minderjährig, viele der Kinder sind unter zwölf Jahre alt und werden in islamistischer Ideologie indoktriniert. Das macht die IS-Nachwuchsschmiede Hol zu einem der gefährlichsten Orte weltweit. Das Roj-Lager beherbergt zurzeit rund 2.300 IS-Frauen und ihre Kinder.
Meisten Rückführungen in ehemalige Sowjetrepubliken
Dennoch verhallen Appelle der Selbstverwaltung an die Staatengemeinschaft seit Jahren nahezu ungehört, ihre Verantwortung zu schultern und ihre in Nord- und Ostsyrien festgehaltenen Bürgerinnen und Bürger zurückzuholen. Die meisten von ihnen hatten sich auf dem Höhepunkt des Syrien-Krieges dem IS-Kalifat angeschlossen. Bisher waren nur die wenigsten Herkunftsländer bereit, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. Im internationalen Vergleich sind es Länder in Zentralasien, die Rückführungsbemühungen für IS-Gefangene anführen. Mehr als die Hälfte aller Repatriierungen aus der AANES fanden in ehemalige Sowjetrepubliken statt. Kasachstan hat bisher 710, Russland 481, Usbekistan 339, Tadschikistan 254 und Kirgisistan 237 Staatsangehörige zurückgeholt. Auf Platz sechs der Liste liegt Frankreich mit 226 rückgeführten Staatsangehörigen, gefolgt vom Kosovo (123), Deutschland (108), den Niederlanden (62) und Belgien (45).