IS von türkischem Unternehmen mit Funkgeräten ausgestattet
ANF liegen Dokumente und Aussagen vor, die den Verkauf von Hunderten Funkgeräten der Firma Ideal aus der Türkei unter den Augen des Staates an den IS belegen.
ANF liegen Dokumente und Aussagen vor, die den Verkauf von Hunderten Funkgeräten der Firma Ideal aus der Türkei unter den Augen des Staates an den IS belegen.
ANF vorliegende Dokumente zeigen, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) seine Funkgeräte mit dem Wissen der Jandarma aus der Türkei beschafft hat. ANF befragte unter anderem den IS-Kommandanten Ilyas Aydın, der sich seit zwei Jahren im Gewahrsam der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) befindet. Er bestätigt, der IS sei ab 2014 mit Ausrüstung der Firma Ideal versorgt worden. Ideal ist der türkische Ableger des Konzerns Hytera (HYT).
Bei dem ersten uns vorliegenden Dokument handelt es sich um eine auf den 12. April 2014 datierte Rechnung, die vom Vertriebspartner der Firma HYT Radios Ideal in Okmeydanı Perpa in Istanbul ausgestellt wurde. 140 Handfunkgeräte vom Typ HYT TC 518 UHF und drei Programmkabel wurden an eine Person namens Abdulkader al-Razi für 28.932 Türkische Lira verkauft. Unter dem Namen Albulkader al-Razi steht als Bestimmungsort „Deir Ez-zor" und weiter, dass die Geräte im Ausland eingesetzt werden.
Das zweite Dokument ist ebenfalls eine Rechnung für von Ideal verkaufte Funkgeräte. Diese Rechnung wurde am 28. Mai 2014 ausgestellt. Das tatsächliche Versanddatum ist das gleiche. Hier heißt der Empfänger Abdulrahim Bahro in Idlib. Das Dokument besagt, dass der Stückpreis jedes Funktgeräts 157 TL beträgt und eine Zahlung von 18.623 TL für den Verkauf von 100 HYT TC 518 UHF Handfunkgeräten geleistet wurde.
Das dritte Dokument ist, wie die beiden vorherigen Dokumente, eine Rechnung. Am 26. Mai 2014 wurde sie von der Firma HYT Ideal in Perpa ausgestellt. Dieses Dokument besagt, dass 100 HYT 518 UHF-Funkgeräte zu einem Preis von je 115 für 11.500 Dollar verkauft werden. Der Name des Abholers ist nicht angegeben, eine Unterschrift ist sichtbar. Eine Person namens A. Kargo habe die Funkgeräte erhalten.
Das vierte und fünfte Dokument sind Belege, die zeigen, dass eine Person namens Mustafa Özkan an der Grenze mit den HYT-Funkgeräten von den türkischen Zollbehörden am Grenzübergang Öncüpınar auf dem Weg zum IS aufgehalten wurde. Allerdings nur, um eine Geldstrafe von1575 türkischen Lira an den Zoll zu bezahlen. Bei Özkan waren von der Jandarma 90 Handfunkgeräte von HYT gefunden worden. Im fünften Dokument heißt es, Mustafa Özkan habe am selben Tag die Geldstrafe bezahlt. Er erhielt eine Reduzierung der Strafe auf 1181,25 TL. Anschließend konnte er mit den Geräten zur Terrormiliz weiterreisen.
IS-Empfangsbestätigungen für Lieferung von Funkgeräten
Bei den Dokumenten sechs und sieben handelt es sich um Empfangsbestätigungen des IS für die Funkgeräte.
Das sechste Dokument ist ein vor dem Scharia-Gericht geschlossener Vertrag über den Kauf von Funkgeräten in der Türkei. Im Vertrag ist als erste Partei Abu al-Mucahi al-Jazrawi und als zweite Abu Dujane al-Turki genannt. In dem Vertrag heißt es: „Die zweite Partei bringt 100 Funkgeräte im Wert von 11.400 Dollar, die am Freitag den 16.7.1435 (Islamische Zeitrechnung, 16.07.2014) geliefert werden.“ Der erste Zeuge des Vertrages ist Hüseyin Keleş und der zweite Zeuge Abu Ibrahim al-Kurdi.
Das siebte Dokument wurde von der IS-Provinz-Aleppo erstellt. Oben auf dem Bogen steht „Islamischer Staat“ und darunter „Provinz Aleppo“. Der Text lautet: „Mögen Allahs Segen und Barmherzigkeit mit euch sein. An die Brüder, die an der Grenze in Aleppo arbeiten. Bitte sorgt dafür, dass ein Telekommunikationsbeamter die Funkgeräte von der türkischen Grenze herbringt.“
Die Aussage von Ilyas Aydın
Ilyas Aydin, ehemals in der IS-Führung, mittlerweile seit zwei Jahren im Gewahrsam der QSD, erklärt, man habe eine große Zahl an Funkgeräten aus Istanbul gekauft: „Bei den von uns verwendeten Funkgeräten handelte es sich um zwei Typen, also um analoge Geräte und digitale Geräte. Der Islamische Staat erhielt Funkgeräte von einer Firma namens Hytera. Hytera ist ein weltbekannter Konzern, der auch in der Türkei aktiv ist. Ein Großteil der Digitalfunkgeräte stammt von dort. Es gibt einen Ort namens Perpa in Mecidiyeköy, Istanbul. Im Obergeschoss gibt es Funkgeräte. Ich meine, diese Firmen sind Sicherheitsunternehmen. Sie kümmern sich um die Sicherheitskommunikation großer Fabriken an vielen Orten.“
Er berichtet weiter, dass diese Firma auch für die Sicherheit und Kommunikation auf Erdoğans Jacht Savarana zuständig sei, und fährt fort: „Diese Unternehmen stehen unter der Kontrolle von Geheimdiensten. Der Eigentümer dieser Firma ist entweder ein pensionierter Soldat oder ein Soldat, der dort eingesetzt ist, um festzustellen, wer kommt und wer kauft. Das sind Sicherheitsfirmen, also vertreiben sie auch Funkgeräte."
Die Aussagen von Ilyas Aydın belegen, dass die Lieferung von Funkgeräten durch die Firma Ideal nicht nur im Jahr 2014, sondern auch danach fortgesetzt wurde. Der sich in Gewahrsam befindende Dschihadist erklärt weiter: „Sie brachten sogar Digitalfunkgeräte mit. Wir haben uns darüber beschwert. Digitale Funkgeräte können am Computer abgehört werden.
Wir hatten Freunde, die etwas von Technologie verstanden, wir haben es bewiesen. Es war leicht zu hacken, weil es digital war. Sie konnten keine alten und analogen Funkgeräte dafür benutzen. Damals verboten sie die Nutzung dieser Funkgeräte und verteilten die digitalen Geräte in den Kriegsgebieten. Es gab analoge und digitale Geräte. Nachdem sie das verstanden hatten, brachten sie immer analoge Funkgeräte mit. Sie wurden mit Kisten nach Idlib gebracht.“
Die meisten Funktgeräte kamen in Kartons 2014 beim IS an, sagt Aydın: „Sie brachten diese kistenweise nach Idlib. Von dort gingen sie dann über die FSA nach Sahra und von dort zum Islamischen Staat oder von Hama über das Regime zum IS. Sie wurden in Raqqa ausgeliefert. Die Funkgeräte wurden von der FSA, al-Nusra oder Ahrar al-Sham gekauft – das wussten sie genau. Sie wurden an den IS nach Raqqa geliefert."
Als wir erwähnen, dass auf den Rechnungen Idlib und Deir ez-Zor als Zielorte angegeben sind und diese Regionen von al-Nusra, der FSA und dem IS kontrolliert wurden, erklärt Aydın: „Kein Zweifel, der Geheimdienst weiß, wer die Geräte gekauft hat.“
Zu dem Vertrag, der im Scharia-Gericht über die Funkgeräte geschlossen wurde, sagte Aydın: „Vielleicht ist es ein Vertrag mit einem unserer Leute. Die Menschen brauchen Geld. So kann beispielsweise eine Vereinbarung mit einem Händler und dem IS getroffen werden. Die Organisation sagt: ‚Egal wie man das Material kauft, auf dem Schwarzmarkt oder wo auch immer, man nimmt es, bekommt seinen Anteil, bringt es. Diese Vereinbarung kann die Vereinbarung des Unternehmens mit einem Händler selbst sein.“
Zum Beispiel fragt man das Unternehmen: „Wohin liefern Sie?“ Sie sagen: „Ich werde es dir nach Idlib oder Sarmade liefern. Im Allgemeinen kommen alle diese Transfers nach Idlib und Sarmade. In der Organisation heißt es: Okay, du bringst die Ware nach Sarmade. Dann bekommst du das Geld. Manchmal sollen die Funkgeräte in der Türkei abgeholt werden. Dann gibt dir der IS nur wenig Geld. Es hängt nun davon ab, ob die getroffene Vereinbarung erfüllt wird. Wenn der Käufer erwischt wurde, wurde der Papierkram mit der Polizei erledigt oder auch vom Geheimdienst eine Erlaubnis erteilt."
HYTs autorisierter Vertriebspartner in der Türkei ist Ideal, der Eigentümer des Unternehmens ist Yüksel Pekdemir. Ehemalige Gesellschafter des Unternehmens sind Rıza Pekdemir, Hakan Şimşek, Yüksel Pekdemir, Mehmet Akkın, Erdal Özkan und Bilal Kurt.