Ende Juni ist bei ANF ein Interview unserer Rojava-Korrespondentin Beritan Sarya mit dem von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) inhaftierten deutschen IS-Dschihadisten Mohammed Amer Abdulkadir erschienen. Er berichtete darüber, wie schwer verletzte Dschihadisten in Krankenwagen über offizielle Grenzübergänge aus Syrien in die Türkei gebracht wurden. Abdulkadir lieferte in dem Interview wichtige Informationen über die schwerpunktmäßig in Deutschland agierende dschihadistische Tarnorganisation „Helfen in Not“. Er berichtete über die Verbindungen des Besitzers von „Helfen in Not“, Bekir Astürk, zum türkischen Staat und dem IS. Bekir Astürk stellt eine Schlüsselfigur im Netzwerk des IS in Deutschland dar und ist den Medien und den deutschen Geheimdiensten wohlbekannt. Dennoch beließ es der Geheimdienst dabei, lediglich zuzuschauen, während Astürk mit seiner Organisation Krankenwagen und militärische Ausrüstung zum IS brachte. Stattdessen wurden Ermittlungen wegen Keksen und Schokolade für die YPG/YPJ geführt. In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln wurde Astürk zur Last gelegt, neun Krankenwagen und militärische Ausrüstung wie Nachtsichtgeräte an den IS geliefert zu haben.
Kopf der Bande sitzt in Edirne
Astürk verließ wegen der Ermittlungen gegen ihn Deutschland und hält sich jetzt in Edirne in der Türkei auf. Da er offiziell in Deutschland keine Spenden mehr für „Helfen in Not“ sammeln kann, setzt er seine Arbeit über die sozialen Medien fort. Insbesondere vor dem Opferfest steigerte Astürk die Propaganda über seinen Facebook-Account und gibt die Daten eines auf seinen Namen laufenden Spendenkontos bei der Iş Bankasi in Edirne an. Weiterhin bietet er Zahlungsmöglichkeiten über sein Paypal-Konto an. Auch hier fällt die Richtung der Repression auf: Während einerseits Facebook-Konten unter dem Vorwand verbreiteter Symbole der YPG oder YPJ geschlossen wurden, werden bei Astürk beide Augen zugedrückt, obwohl er für dschihadistische Organisationen Geld sammelt. Auch die Organisation Astürks agiert in Deutschland unbehelligt weiter.
Durch religiöse Slogans wird der Glaube ausgenutzt
Nach Recherchen von ANF wurde „Helfen in Not“ von Anfang an als logistische Unterstützungsorganisation für den IS gegründet und verfügt in Deutschland über ein organisiertes Netzwerk. Die Zentren der Organisation befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Ihre Vertreter sammeln Geld religiös verbrämt als „Opfer“, „Almosen“, „Barmherzigkeit“ oder „Hilfe für Waisenkinder“. Mit Slogans wie „150 Euro für Syrien“, „90 Euro für Kenia“, „90 Euro für Nigeria“; „90 Euro für Bangladesch“ führen sie Kampagnen durch und behaupten, in Kriegsgebieten wie Syrien, Afghanistan, Palästina, Burkina Faso, Burma oder Mali Hilfe zu leisten. Real geht die Hilfe aber an dschihadistische Organisationen. Weitere Hilfsorganisation in diesem Netzwerk sind:
„Help 4 Ummah“: Diese Organisation behauptet ebenfalls, die Spenden gingen an „bedürftige Muslime“. Mit dem in Deutschland gesammelten Geld werden Krankenwagen und Ausrüstung an dschihadistische Gruppen in Syrien geschickt. Der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen hat festgestellt, dass die Organisation mindestens einen Krankenwagen und medizinische Ausrüstung im Wert von 6.000 Euro an kämpfende Dschihadisten in Aleppo geschickt hat. Sven Lau und Pierre Vogel traten als Propagandisten für diese Organisation auf und sammelten auf Veranstaltungen Geld. Sven Lau ist als IS-Propagandist bekannt und 2015 zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Nach der Niederlage des IS in Syrien und im Irak wird nun über die sozialen Medien Geld gesammelt, das dann an Dschihadisten in afrikanischen Staaten wie Nigeria und Ghana geht.
„World Wide Resistance Help“: Die Organisation sammelt vor allem in Deutschland Geld für Dschihadisten weltweit, insbesondere in Palästina. Vergangenen April führte die deutsche Polizei in zehn Bundesländern Durchsuchungen gegen diese Organisation und „Ansaar International“ unter dem Vorwurf der Spendensammlung für die Hamas durch. Die Organisation hat in den vergangenen Jahren auch Geld an den IS geschickt. Es ist allerdings öffentlich nichts über die Höhe oder den Weg der Spenden bekannt. Die Auswertung des Archivs der Organisation durch die Polizei dauert an. Die Organisation hat ebenso wie „Helfen in Not“ ihr Hauptquartier in Neuss.
„Medizin mit Herz“: Die Organisation steht mit „Helfen in Not“ ganz vorne auf der Liste der Unterstützer von Gruppen wie al-Nusra und al-Qaida. Sie beutete über Jahre hinweg die religiösen Gefühle von Muslimen aus und wurde daran bis 2017 in keiner Weise gehindert. Am 8. Februar durchsuchte die deutsche Polizei das Zentrum im Rahmen von Ermittlungen gegen zwei Mitglieder von al-Nusra. Am gleichen Tag durchsuchte die britische Polizei Wohnungen und stellte dort große Mengen an Spendenquittungen und Listen von Ausrüstung und Geld, das nach Syrien geschickt wurde, sicher. Die Personen hatten zu verschiedenen Zeitpunkten „Hilfskonvois“ von Deutschland nach Syrien organisiert. Die Organisation, die offiziell nicht in Deutschland arbeitet, führt ihre Aktivitäten über die sozialen Medien weiter.
„Al Asraa Basaar“: Diese Organisation wurde gegründet, um den 2015 in Deutschland inhaftierten Dschihadisten zu helfen. Sie erklärte, die „dschihadistischen Muslime“ in deutschen Gefängnissen seien in einer schweren Lage, in den sozialen Medien erfolgte entsprechende Propaganda. In der letzten Zeit verbreitete sie Bilder und Videos von den Angehörigen der bei den YPG und QSD gefangengehaltenen IS-Dschihadisten und verwendete dabei Parolen wie „Vergesst eure Schwestern in den PKK-Lagern nicht“.