Internationalistin: Die Erfahrung von Rojava auf Italien anwenden

An der I. Internationalistischen Konferenz von Rojava nahmen Aktivist:innen aus 27 Ländern, die in den Strukturen in Rojava aktiv sind, teil. Zeryan Berxwedan aus Italien sagt: „Die Revolution von Rojava ist eine Hoffnung für die Menschheit."

Vor Kurzem fand die I. Internationalistische Konferenz von Rojava statt. Internationalist:innen, die in verschiedenen Strukturen von Rojava aktiv sind, kamen zusammen und diskutierten ihre bisherigen Aktivitäten und ihre Perspektiven für Rojava und ihre Herkunftsländer. Eine dieser Internationalist:innen ist Zeryan Berxwedan aus Italien. Sie unterstreicht im ANF-Interview die Bedeutung von Rojava und der Ideologie des Apoismus für eine weltweite emanzipatorische Bewegung.


Was bedeutete die I. Internationalistische Konferenz von Rojava für Sie?

Die Konferenz war für mich sehr emotional. Zunächst einmal, weil wir als Internationalist:innen zusammenkamen, um über Themen zu sprechen, die hier oder in unseren Ländern wichtig sind. Beeindruckend war auch, dass man auf der Konferenz Freund:innen mit 27 verschiedenen Muttersprachen traf. Ich persönlich habe noch nie so viele Genoss:innen aus verschiedenen Teilen der Welt getroffen.

Das bedeutet, dass wir als Gesellschaften und als Genoss:innen eine stärkere Einheit in der Welt brauchen, um das System zu überwinden und etwas anderes zu schaffen. Die Konferenz war definitiv sehr emotional. Sie vermittelte auf einer emotionalen Ebene Energie und Kraft, mit der wir die Arbeit nicht nur in Rojava, sondern auch in unseren Herkunftsländern fortsetzen. Im Austausch mit Menschen aus anderen Ländern der Welt begreifen wir, dass das Grundproblem immer dasselbe ist: das System, das verschiedene Gesellschaften in verschiedenen Teilen der Welt unterdrückt und tötet.

Welche Diskussionen gab es in Bezug auf die Rolle von Frauen im Internationalismus?

Die Rolle der Frau ist extrem wichtig. Denn Frauen werden seit 5.000 Jahren von diesem System unterdrückt. Das hat zur Folge, dass Frauen dieses System viel brutaler erleben als Männer. Im Internationalismus können Frauen sowohl ideologisch als auch praktisch Vorreiterinnen sein. Die Rolle der Internationalistinnen ist sehr wichtig, um die Werte der Menschlichkeit und Gleichheit zu vermitteln, die wir in unseren Ländern normalerweise nicht finden.

Was waren die wichtigsten Punkte, die auf der Konferenz deutlich wurden?

Es war wichtig, dass wir zusammenkamen. Denn wir haben so die internationalistische Arbeit in Rojava intensiviert. Es wurden verschiedene Pläne gemacht. Hier in Rojava gibt es mehrere ideologische Formationen; wir versuchen, mehr Internationalist:innen aus den verschiedenen Strukturen zu verbinden. Aber vor allem ist es für mich wichtig zu verstehen, wie wir die Energie und die Ideologie der Revolution von Rojava auf unsere Länder übertragen und wie wir diese Arbeit fortsetzen können. Denn häufig geschieht es, dass wenn wir in unsere Länder zurückkehren, wir uns verloren fühlen und nicht wissen, wie wir diese revolutionäre Arbeit fortsetzen können. Denn wir verändern uns. Wir verändern unsere Perspektive und unsere Persönlichkeit. Diese Übertragung der revolutionären Arbeit war einer der wichtigen Punkte der Konferenz.

Welche Art von Erfahrung internationaler Revolution zeigte sich in der Rojava-Revolution?

Die Revolution von Rojava hat einen großen Einfluss auf den Internationalismus und die internationalistischen Genoss:innen gehabt. Denn sie stellt eine die Hoffnung für eine neue Gesellschaft und eine neue Art der sozialen Organisation dar. Nicht nur das, sondern durch die Ideologie der kurdischen Freiheitsbewegung können wir als Internationalist:innen an uns selbst arbeiten, um bessere Menschen zu werden, losgelöst vom Individualismus und dem Kapitalismus durch den unsere Gesellschaften geprägt sind.

Die Werte des Internationalismus gehören definitiv zu den Grundwerten der Menschheit. Es geht darum, eine bessere Menschheit zu schaffen, frei von Kriegen und Unterdrückung. Infolgedessen versuchen viele internationalistische Genoss:innen, gemeinsam eine neue Gesellschaftsform zu leben, indem sie beschließen, gegen das System, in dem wir jeden Tag leben, zu kämpfen und sich insbesondere mit den unterdrückten Völkern zu solidarisieren. Die Grundwerte sind, menschlich zu bleiben, den Schmerz der anderen zu spüren, denn der Schmerz der unterdrückten Völker ist auch unser Schmerz. Wenn es nur einen Menschen gibt, der nicht frei ist, ist die Welt nicht frei, sondern setzt ihren gewalttätigen Status quo fort.

Wir müssen ideologische Solidarität aufbauen“

Natürlich verteidigt der Internationalismus in Rojava die Revolution nicht nur mit Waffen, sondern auch auf klassische Weise. Wir versuchen, die Ideologie dieser Revolution in unsere Länder und Gemeinschaften zu tragen. Die Verteidigung ist natürlich einerseits körperlich, aber andererseits auch ideologisch. Um diese Revolution zu verteidigen, ist es äußerst wichtig, ideologische Solidarität nicht nur in Rojava, sondern auch in unseren Ländern zu schaffen. Internationalistische Solidarität ist in diesen Zeiten sehr wichtig. Denn wie wir in der Welt sehen, reorganisiert sich das System gegen die Gesellschaft und die Völker.

Wie Sie sehen können, ist in Europa ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausgebrochen. Daher ist der Internationalismus extrem wichtig, um die verschiedenen existierenden Ideologien und unterschiedlichen Gesellschaften auf der ganzen Welt zusammenzubringen. Die Genoss:innen müssen daran arbeiten und verstehen, wie wir eine neue Gesellschaft schaffen können, die frei von Kriegen, frei vom Staat und den kapitalistischen Mächten, die ganze Gesellschaften für wirtschaftliche und politische Interessen töten, ist.

Wo kommt diese Revolution her und kann sie denn überall angewandt werden?

Die Grundlage dieser Revolution ist das Denken von Abdullah Öcalan, ein revolutionäres Denken, das auf Menschlichkeit und Diversität beruht. Es kann überall auf der Welt angewandt werden, auch in unseren Gesellschaften. Natürlich müssen die Ansätze angepasst werden. Wie Rêber Apo [Abdullah Öcalan] sagte, müssen wir unsere Gesellschaften analysieren und versuchen, humanistische Lösungen zu finden. Daher ist die Philosophie von Abdullah Öcalan für die Fortsetzung der internationalistischen Arbeit hier in Rojava und in unseren Ländern äußerst wichtig.

Ist auf der Konferenz eine Art internationalistischer Identität entstanden?

Als Italienerin empfand ich diese Konferenz als sehr wichtig. Ich begann darüber nachzudenken, wie ich die Werte dieser Erfahrung nach Italien, an meine Genoss:innen, Freund:innen und Familie weitergeben könnte. Ich denke, Italien ist ein Land, das sehr offen für Veränderungen ist. Diese Konferenz kann nicht nur für Rojava, sondern auch für mein Land eine Inspiration sein. Ich hatte definitiv das Gefühl, dass die Probleme, die von vielen der auf der Konferenz anwesenden Genoss:innen angesprochen wurden, auch meine Probleme waren, da wir von ähnlichen Orten und aus demselben System kommen.

Deshalb können wir etwas neues schaffen. Ich habe die Hoffnung, dass wir unsere eigene Organisation nach dem Vorbild der kurdischen Bewegung in Italien schaffen können. Die Ideen von Abdullah Öcalan werden auf eine andere Region, eine andere Gesellschaft, eine andere Geschichte übertragen, und wir können das.

Haben Sie eine Botschaft für ihr Land oder die Weltöffentlichkeit?

Ich möchte den Menschen auf der ganzen Welt sagen, dass eine andere Gesellschaft, eine andere Methode der sozialen Organisation möglich ist. Hier gibt es Hoffnung für alle, denn hier existiert ein humanistisches Organisationssystem, das auf Diversität, der Liebe zum Leben und dem Frieden beruht, eine Ideologie, die vom Menschen und der Gesellschaft ausgeht und nicht auf Macht und Staat basiert. Was ich sagen will, ist, dass wir, um zu verstehen, wo wir eine gemeinsame Basis finden können, versuchen müssen, unsere Kämpfe, unser Leben innerhalb des Systems zu analysieren, diesen Kampf fortzusetzen und weiterhin auf eine andere Welt ohne Gewalt zu hoffen.