Şoreş Ronahî: „Die Revolution weltweit verbreiten“

Şoreş Ronahî erklärt nach der Internationalistischen Konferenz von Rojava, dass der vor 50 Jahren im internationalistischen Geist begonnene Kampf durch eine Globalisierung der Revolution Kurdistans einen Höhepunkt erreichen wird.

Im Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien ist unlängst die erste Internationalistische Konferenz von Rojava ausgerichtet worden. Aktive aus verschiedenen Ländern diskutierten dabei ihre Kämpfe und die Systemkrise der kapitalistischen Moderne. Der deutsche Internationalist Şoreş Ronahî ist Mitglied des Organisationskomitees der Konferenz. Im ANF-Interview hat er sich über die Debatten und Beschlüsse geäußert.

Könnten Sie uns zunächst etwas zum Verlauf der Konferenz berichten?

Bevor die Konferenz durchgeführt wurde, gab es bereits eine Reihe von Diskussionen. Etwa zur Frage, auf welcher Grundlage eine solche Arbeit stattfinden könnte. Der lange Prozess des Widerstands gegen den IS und die türkische Besatzung hat die Möglichkeit eröffnet, den internationalistischen Kampf von Neuem zu beleben. Im 21. Jahrhundert wurde durch die Revolution von Rojava die Gelegenheit geschaffen, dem Kampf gegen den Faschismus und die kapitalistische Moderne neues Leben einzuhauchen und ihn auszuweiten. In diesem Zusammenhang haben hunderte von internationalistischen Freund:innen aus der ganzen Welt, insbesondere ab 2014, an dieser Revolution teilgenommen. Sie haben an den Kriegsfronten gekämpft, wurden verletzt oder sind gefallen. Internationalist:innen aus verschiedensten Ländern gaben ihr Leben für dieses Land und wurden zu Gefallenen oder zu Versehrten der Revolution, indem sie einen Teil ihres Körpers gaben. Sie arbeiteten während der Revolution in den verschiedensten Bereichen.

Die Rojava-Revolution erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie wollten sie kennenlernen, wurden inspiriert von der Revolution und ein Teil von ihr. Nachdem die Internationalist:innen sich hier eingebracht hatten, kehrten sie in ihre Länder zurück. Dort wollen sie nun ihre Praxis auf der Grundlage der Revolution und basierend auf den Ideen und der Philosophie von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] entwickeln. Sie kamen aus verschiedenen Ländern, Nationen und Kulturen und schlossen sich dieser Revolution an.

Die Revolution hat ein großes Vermächtnis geschaffen. Dies ist nicht das Erbe von ein paar Jahren Widerstand: es begann vor 50 Jahren mit dem Aufbruch von Rêber Apo, als er mit der Feststellung, dass Kurdistan eine Kolonie ist, im internationalistischen Geist diesen Kampf begann. Heute spielt die kurdische Befreiungsbewegung im Freiheitskampf, im Kampf für den Sozialismus eine wichtige Rolle in Kurdistan, im Nahen Osten. Darüber hinaus stellt sie mit ihrer Philosophie, ihrem Denken, ihren Ideen, ihrer Opferbereitschaft und ihrem Kampf eine Inspiration für die ganze Menschheit dar.

Es ist ein wichtiges internationalistisches Erbe entstanden. Mit der Konferenz wollten wir für dieses Erbe eintreten und unsere Geschichte ans Licht bringen. Wir haben die Freund:innen, die in verschiedenen Strukturen wie etwa dem militärischen Bereich oder auch der Gesellschaftsarbeit der Revolution aktiv sind, zusammengebracht und diese Konferenz durchgeführt. Es ging darum zu diskutieren, was sie bis heute gemacht haben und was die aktuellen Notwendigkeiten und Verantwortungen sind. Auf dieser Grundlage kamen wir zusammen, um uns über die zukünftigen Schritte auszutausche, diese Revolution zu schützen und weiterzuverbreiten, die Freiheit aller Völker und den Sozialismus im 21. Jahrhundert zu entwickeln und den Aufbau des weltweiten demokratischen Konföderalismus voranzutreiben.

Wer hat an der Konferenz teilgenommen?

Menschen verschiedener Nationalität nahmen an der Konferenz teil. Die Konferenz war vielleicht nicht repräsentativ für alle Völker und Bewegungen auf der Welt, aber sie war ein Schritt. Unserer Bewertung nach war sie ein wichtiger, historischer Schritt. An der Konferenz nahmen Freund:innen aus Lateinamerika bis nach Nordamerika, von Südeuropa bis Nordeuropa, aus Asien, dem Nahen Osten und anderen Regionen der Welt teil. Ob aus Frankreich, Deutschland, den Philippinen, Italien, Brasilien oder dem Baskenland und Katalonien sowie aus Griechenland, Polen und Russland – es gab eine sehr vielfältige Beteiligung an dieser Konferenz.

Wie begann diese erste Konferenz und was wurde diskutiert?

Zunächst wurde eine Perspektive von Rêber Apo verlesen. Anschließend wurde der Aktivitätsbericht der internationalistischen Arbeiten in Rojava vorgetragen. Es gab wichtige Feststellungen und Bewertungen. Die Arbeiten wurden bewertet, es gab Kritik und Selbstkritik. Es wurden viele Vorschläge gemacht. Im Rahmen dieser Vorschläge und den Vorbereitungen des Komitees wurde dann zu einer intensiven Planung übergegangen.

Es war das erste Mal, dass die in vielen verschiedenen Bereichen arbeitenden internationalistischen Freund:innen zusammenkamen, ein paar Tage lang diskutierten und Ideen austauschten. Es gab aber nicht nur Diskussionen, sondern auch Ergebnisse. Es ist eine gemeinsame Planung entstanden. Das war unser Ziel.

Die Konferenz war für uns auch Bildung. Ein Teil der Konferenz fand in Form von Seminaren statt. Wir hatten uns entschlossen, uns nochmals das Erbe des Internationalismus vor Augen zu führen. In der Diskussion haben wir nicht mit der Gegenwart, sondern mit der Geschichte begonnen. Wir haben diskutiert, wie sich der internationalistische Kampf historisch entwickelt hat. Wir sehen uns als Fortsetzung dieser Geschichte. Es gab ja auch einige historische Fehler., die kritisiert werden müssen. Auf der Welt haben verschiedene Kämpfe stattgefunden, die im Namen des Internationalismus und Sozialismus geführt wurden.

Ein wichtiger Teil der Konferenz setzte sich mit diesen historischen Erfahrungen auseinander. Es ging um die Erste, Zweite und Dritte Internationale, um den Realsozialismus, die Sowjetunion, die internationalen Brigaden im Kampf gegen den Faschismus im Spanischen Bürgerkrieg, die kubanische Revolution und den Internationalismus, die 68er-Bewegung und Aufstände, die nationalen Befreiungskämpfe gegen den Kolonialismus, die Umweltbewegung, den feministischen, internationalen Frauenkampf und einige weitere Themen. Es gab nicht genug Zeit, um alles zu diskutieren. Aber es war eine gute und wichtige Diskussion. Abgesehen davon wurde die aktuelle politische und militärische Situation in Kurdistan und weltweit umfassend bewertet.

Was für eine Planung wurde gemacht?

Wir wollen mit der Konferenz das internationale Konzept, mit dem die Revolution Kurdistans kriminalisiert, marginalisiert und als Terror abgestempelt werden soll, zu Fall bringen. Die Revolution Kurdistans ist unsere Revolution, sie ist die Revolution der Menschheit. Wir kommen aus einem anderen Land, aber wir haben diesen Kampfgeist und die Hoffnung in der Revolution von Rojava gesehen. Wir haben die Hoffnung auf die Schaffung einer neuen Welt und eines neuen Lebens in der Revolution Kurdistans, der Philosophie von Rêber Apo und im Mut der Gefallenen gesehen. Lasst uns dafür eintreten, Haltung beziehen und unsere Arbeiten in diesem Sinne auf das höchste Niveau steigern. Das ist sehr wichtig und spiegelt sich in der Konferenz wider. Sie war ein wichtiger Schritt. Ohne Zweifel stellt die Konferenz keinen Anfangspunkt und auch keinen Endpunkt dar.

Wir betrachten diese Konferenz als Sieg für uns. In der aktuellen Phase eine solche Konferenz durchzuführen, war enorm wichtig. Aber das ist nicht das Ende unserer Aufgabe. Es war ein Schritt und den sind wir gegangen. Wir müssen den Kampf noch stärker führen und ausweiten.

Die Isolation von Rêber Apo wurde auf unserer Konferenz verurteilt. Es wurde dazu aufgerufen den Kampf gegen die Isolation auf Imrali und für die physische Freiheit von Rêber Apo weiter auszuweiten. Außerdem wurde klare Haltung gegen die Diffamierung der kurdischen Freiheitsbewegung und der PKK als terroristisch bezogen. In diesem Krieg ist der türkische Staat der eigentliche Terrorist. Es wird ein legitimer Befreiungskampf eines Volkes für ein würdiges Leben geführt.

Das Entscheidende für uns ist, das Konzept gegen den Kampf in Kurdistan zum Scheitern zu bringen. Wir kämpfen gegen ein ideologisches Spezialkriegskonzept, mit dem die internationalen Mächte versuchen, diese Revolution zu zersplittern. Führungspersönlichkeiten dieser Revolution werden zum Ziel von Attentaten und zu Terroristen erklärt, während man sich andererseits als Unterstützer darstellt. Wir werden als internationale Strukturen und Institutionen unseren Kampf für die Befreiung der besetzten Gebiete in Rojava wie Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî ausweiten.

In diesem Sinne werden wir noch mehr Treffen durchführen, noch mehr diskutieren, die Schriften von Rêber Apo und der Revolution in noch mehr Sprachen übersetzen und Schriften vorbereiten, um diese Revolution vorzustellen.