KJK: Für einen neuen Internationalismus der Frauen

Das patriarchale System kann nur überwunden werden, wenn sich der Frauenbefreiungskampf auf ein autonomes Modell stützt. Die KJK schlägt als Lösung für die globale Frauenrevolution den Demokratischen Weltfrauenkonföderalismus vor.

Immer mehr Frauenbewegungen gehen auf einen neuen Internationalismus der Frauen zu, um den globalen Frauenbefreiungskampf zu stärken, gemeinsam gegen alle Formen des Patriarchats zu kämpfen und demokratische Bündnisse aufzubauen. Dieses Streben von Frauenbewegungen aus der ganzen Welt spiegelt die sich verändernden Bedingungen und Möglichkeiten des Frauenbefreiungskampfes in diesem ersten Viertel des 21. Jahrhunderts wider. Auch die kurdische Frauenbewegung hat sich in den letzten Jahren in diesen Diskurs eingebracht und schlägt als Lösung den „Demokratischen Weltfrauenkonföderalismus“ vor. In einem Aufruf anlässlich des internationalen Frauenkampftags formuliert die Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK) Gründe für ein gemeinsames Handeln hin zum Aufbau eines autonomen Frauensystems auf globaler Ebene:

„Anlässlich des Internationalen Frauentags gedenken wir aller Frauen, die im Kampf für Freiheit und Gleichheit ihr Leben verloren haben. Das Andenken an Frauen wie Sakine Cansız, Rosa Luxemburg, Meena Kewshwar, Berta Caceres, Shadia Abu Ghazaleh, Maita Gomez, Emily Davison und viele, viele andere erleuchtet weiterhin unseren Weg des Widerstands. Am 8. März 2022 senden wir als Frauenbewegung Kurdistans unsere revolutionären Grüße an alle nach Freiheit strebenden Frauen und verpflichten uns, unser Jahrhundert in ein Zeitalter der Frauenbefreiung zu verwandeln.

Krieg des Patriarchats gegen die Frauenrevolution

Wenn wir das vergangene Jahr betrachten, können wir sowohl Gewinne wie in Indien oder Kolumbien als auch Rückschläge wie in Afghanistan und Polen feststellen. Das ist nicht ungewöhnlich. Ganz im Gegenteil, in dieser Periode der Geschichte der Frauen gehen Gewinne und Verluste Hand in Hand. Denn während auf der einen Seite das Streben der Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung zunimmt, versucht das patriarchalische System, diesem dynamischsten Kampf unserer Zeit mit der Organisation und Mobilisierung von Frauenfeindlichkeit und Sexismus zu begegnen. Der systematische Angriff fundamentalistischer Kräfte auf die Rechte der Frauen unter dem Deckmantel der Religion oder des Moralismus, die gezielte Ermordung weiblicher Führungspersönlichkeiten, die Zunahme sexueller und physischer Gewalt sind Ausdruck dieses aggressiven Krieges des Patriarchats, der darauf abzielt, die Revolution der Frauen zu verhindern.

Frauenbewegung strategischste Kraft im Kampf gegen Ausbeutung

Die Chancen, Bedingungen und die Dringlichkeit, diese Revolution zu verwirklichen, waren noch nie so groß wie heute. Die Gründe für diese historische Chance liegen einerseits im machtvollen Streben der Frauen nach Freiheit, andererseits in den strukturellen Krisen der patriarchalischen kapitalistischen Hegemonie und in der strategischen Rolle der Frauenbefreiung im 21. Jahrhundert. Einmal mehr zeigt sich, wie Recht unser Vorsitzender Abdullah Öcalan am Ende des letzten Jahrhunderts hatte, als er voraussagte: ‚Das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter der Frauenbefreiung sein.’ Der Kampf der Frauen für Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Würde und Frieden ist heute die umfassendste soziale Bewegung, die den Kampf der Menschen für Demokratie, gegen Faschismus und Rassismus, für den Schutz der Natur und das Recht auf Selbstbestimmung umfasst und einschließt. Damit ist sie die strategischste Kraft im jahrtausendealten Kampf gegen Macht und Ausbeutung.

Vorschlag für Lösung der Krisen: Demokratischer Weltfrauenkonföderalismus

Als Frauenbewegungen, die für die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit kämpfen, müssen wir diese historischen Bedingungen und die Verantwortung, die sie uns aufbürden, bei der Organisation unseres Widerstands berücksichtigen. Wir müssen die historische Situation, in der wir uns befinden, gemeinsam analysieren, Risiken, Herausforderungen und Chancen bewerten, unsere Ziele klären und unsere strategischen Fahrpläne entwickeln. Unsere Zusammenkünfte sollten diesen Bedürfnissen dienen und zu einer stärkeren autonomen Organisation der transnationalen Frauenbewegung führen. Darüber hinaus müssen wir Formen und Strukturen finden, die es uns ermöglichen, gemeinsam auf der Grundlage eines optimalen Gleichgewichts zwischen dem Lokalen und dem Universellen zu kämpfen. Als kurdische Frauenbefreiungsbewegung nennen wir unseren Vorschlag Demokratischer Weltfrauenkonföderalismus. Aufgrund unserer eigenen praktischen und theoretischen Erfahrungen glauben wir, dass der Demokratische Konföderalismus die Form sein könnte, die notwendig ist, um die Frauenrevolution zu organisieren und dadurch unser Jahrhundert in das Zeitalter der Befreiung der Frauen und der Gesellschaft zu verwandeln.

Revolution ein ständig fortschreitender Prozess

Dazu brauchen wir auch mehr Raum für theoretische und ideologische Diskurse über die Wurzeln des Patriarchats und des freien Lebens. Freiheit ist nichts, was auf einen unbekannten Zeitpunkt in ferner Zukunft verschoben werden kann. Es ist wichtig, dass wir unser Leben nicht von unserem Kampf trennen, sondern das, wofür wir stehen und was wir fordern, schon jetzt leben. Die Revolution ist kein bestimmtes Datum, das im Kalender markiert ist, sondern ein ständig fortschreitender Prozess, der bereits begonnen hat. Deshalb müssen wir unsere Beziehungen, Partnerschaften, Freundschaften und Familien befreien und unsere Lebensräume mit einer Kultur füllen, die auf Freiheit, Gemeinschaftlichkeit, Demokratie und Ökologie basiert.

Konterrevolutionäre Angriffe des patriarchalischen Systems

Wir müssen uns der konterrevolutionären Angriffe des patriarchalischen Systems sehr bewusst sein, insbesondere derer, die unsichtbar zu sein scheinen. Insbesondere müssen wir unser Bewusstsein für die Ideologie des Liberalismus schärfen, dem Hauptinstrument der kapitalistischen Moderne, um Frauenbewegungen in das herrschende System zu integrieren. Die Berufung von Frauen in Ämter innerhalb der kapitalistischen Staatsordnung unter dem Vorwand der ‚Gleichberechtigung der Geschlechter’ ist kritisch zu sehen, da sie oft darauf abzielt, die Forderungen der Frauenbewegung zu unterlaufen. Das Gleiche gilt für Versuche, die Frauenbewegung zu spalten, indem künstliche Feindschaften geschaffen werden. Ideologische Diskurse sind für die Entwicklung der feministischen Bewegung unerlässlich, sollten aber nicht in einem Kampf gegeneinander enden, der nur dem patriarchalen System dient. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Taktik des ‚Teilen und Herrschen’ in unsere Kämpfe eindringt und müssen auf diese Versuche mit der Stärkung unserer Einheit antworten.

Autonome Organisierung weltweit

Der Demokratische Weltfrauenkonföderalismus könnte als Grundlage für die Stärkung dieser Einheit durch den Aufbau eines autonomen Weltfrauensystems dienen. Je mehr wir uns autonom organisieren, desto mehr werden wir in der Lage sein, uns zu verändern. Nur wenn wir uns organisieren, können wir uns und das Leben befreien. In diesem Sinne rufen wir anlässlich des 8. März alle Frauen in Kurdistan und in der ganzen Welt auf, sich durch Organisierung an der Frauenrevolution zu beteiligen. Wir rufen alle fortschrittlichen, revolutionären und nach Freiheit strebenden Frauenbewegungen und -gruppen auf, gemeinsam mit uns und unseren organisierten Schwestern aus der ganzen Welt den demokratischen Weltfrauenkonföderalismus aufzubauen.”