Aufgrund der am 9. Oktober 2019 gestarteten türkischen Invasion in Nord- und Ostsyrien wurden über 350.000 Menschen aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben. Die Zivilbevölkerung aus den Regionen Serêkaniyê (Ras al-Ain), Girê Spî (Tall Abyad) und Til Temir wurde zunächst in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden in den benachbarten Ortschaften untergebracht. Die Autonomieverwaltung hat dann zwei Auffanglager in Raqqa und Hesekê für die Vertriebenen eingerichtet.
Die Anzahl der Menschen in dem zwölf Kilometer von Hesekê entfernt liegenden Camp Waşokanî ist inzwischen auf zwölftausend gestiegen. Die Bewohner*innen werden von knapp 40 Institutionen wie der kurdischen Rothalbmondorganisation Heyva Sor a Kurd, dem Frauendachverband Kongreya Star, dem Gesundheitskomitee der Autonomieverwaltung, einem Camp-Rat und Sicherheitskräften vom Asayîş und den HPC betreut. Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie werden von Fachgruppen getroffen, die aus Mitarbeiter*innen der Lagerleitung und Heyva Sor a Kurd bestehen.
Die Möglichkeiten für eine effektive Bekämpfung der neuartigen Krankheit Covid-19 sind im nordostsyrischen Autonomiegebiet jedoch weiterhin kaum gegeben. Für Millionen Menschen stehen nur wenige Beatmungsgeräte zur Verfügung. Zwar versucht die Selbstverwaltung durch umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen, begleitet von Grenzschließung, Schulschließungen und Ausgangssperren, eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Es mangelt jedoch an grundlegender medizinischer Ausrüstung, Medikamenten, Atemschutzmasken, Desinfektions- und Reinigungsmitteln. Vor diesem Hintergrund sind vor allem die Menschen in den Flüchtlingslagern aufgrund ihres geschwächten Allgemeinzustandes, der beengten Lebenssituation und der schlechten hygienischen Verhältnisse extrem gefährdet, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Hilfe von der syrischen Regierung kommt nicht, da die Verteilung der humanitären Hilfslieferungen von den Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation über Damaskus koordiniert wird und das Regime die Autonomiegebiete weitgehend ausspart.
Cihan Amir
Zudem herrscht im Waşokanî-Camp ein Mangel von medizinischen Fachkräften. „Erkranken Bewohnerinnen oder Bewohner, können wir sie vor Ort nicht versorgen. Stattdessen liefern wir sie in Krankenhäuser in Hesekê oder Til Temir ein. Im Durchschnitt sind es neun Krankenfahrten am Tag“, sagt Cihan Amir von Heyva Sor a Kurd. Amir wünscht sich Unterstützung von internationalen Hilfsorganisationen, um die Gesundheitsversorgung im Camp zu verbessern.