Hediye Yusif: Kein zweites Efrîn zulassen
Bei einem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien würde sich die menschenverachtende Situation in Efrîn auf die gesamte Region ausweiten, warnt Hediye Yusif vom Frauenverband Kongreya Star.
Bei einem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien würde sich die menschenverachtende Situation in Efrîn auf die gesamte Region ausweiten, warnt Hediye Yusif vom Frauenverband Kongreya Star.
Seit der Besatzung von Efrîn im vergangenen Jahr hält sich Hediye Yusif bei den durch die türkische Invasion Vertriebenen im nordsyrischen Kanton Şehba auf. Sie gehört zur Koordination des Frauendachverbands Kongreya Star und hat sich gegenüber ANF zu einem möglichen weiteren Einmarsch der türkischen Armee in Nord- und Ostsyrien geäußert. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Angriffs sei nicht übersehen, erklärt sie: „Die aktuelle türkische Regierung hat mit ihrer Struktur das Potential, die Türkei in den Abgrund zu führen. Die USA und die internationale Koalition versuchen einen Mittelweg zu finden.“
Türkei will den Druck der USA verringern
„Auch die Türkei weiß, dass ein Angriff auf Nord- und Ostsyrien nicht den Interessen der US-geführten internationalen Koalition entspricht. Der türkische Staat steht wegen des Kaufs des russischen Raketensystems S-400 unter dem Druck der USA. Er befindet sich intern in einer großen Krise, die Regierungsmacht wird in Frage gestellt. Die NATO-Mitgliedschaft steht zur Diskussion. Aus diesem Grund bemüht sich die Türkei, über Zugeständnisse den Druck der USA zu verringern und neue Zugewinne zu machen. Dem Staat ist bewusst, dass die USA keinen Angriff zulassen werden, wenn er das nicht tut.“
Wenn die internationale Koalition die türkische Invasion nicht aufhält
„Sollte die Türkei jetzt angreifen, würde sich der Krieg auf die gesamte Region ausbreiten, dadurch würde Russland gestärkt. Den USA und der Koalition bleiben dann nur die beiden Alternativen, entweder zu kämpfen oder Syrien zu verlassen. Innerhalb dieser verworrenen Situation wird versucht, einen Mittelweg zu finden. Wir vernachlässigen die Möglichkeit eines türkischen Angriffs nicht. Die aktuelle türkische Regierung hat mit ihrer Struktur das Potential, die Türkei in den Abgrund zu führen. Die Drohungen sind sehr ernst.“
Ungebremste Menschenrechtsverbrechen in Efrîn
„Efrîn ist als Ergebnis eines Abkommens zwischen der Türkei, Russland, dem Iran und dem syrischen Regime besetzt worden. Die Kräfte, die mit uns gemeinsam den IS bekämpfen, haben dazu geschwiegen. In Efrîn haben Massaker und Plünderungen stattgefunden. Hunderttausende Menschen sind vertrieben und die Bevölkerungsstruktur ist verändert worden. Die IS-Mitglieder, die zuvor in Deir ez-Zor, Raqqa, Minbic und zuletzt in al-Bagouz waren, sind jetzt in Efrîn. Sie haben ihr Image verändert und bereiten sich auf einen neuen Krieg vor. Es findet eine gegen die Kurden gerichtete ethnische Säuberung statt, die mit aller Grausamkeit fortgesetzt wird. Parallel dazu wird versucht, einen arabisch-kurdischen Konflikt hervorzurufen und Efrîn türkisch werden zu lassen. Unmenschliches Vorgehen ist an der Tagesordnung. Leider gibt es keine Kräfte, die sich dazu äußern. Damit sich diese Situation nicht im gesamten Norden und Osten Syriens wiederholt, sind umfassende Vorbereitungen auf einen Massenwiderstand und entsprechende diplomatische Bemühungen notwendig.“
Das Embargo gegen Şehba aufheben
„Dem syrischen Regime mangelt es hinsichtlich einer Lösung an Ernsthaftigkeit. Ihm ist die zunehmende Zersplitterung Syriens bewusst und es weiß, dass die Türkei die von ihr besetzten Gebiete nicht wieder verlassen wird. Das zeigt schon allein das Beispiel Idlib. Jetzt werden verschiedene Erklärungen abgegeben, aber was wirklich zählt ist die Frage, wie ernst es das Regime mit einer Lösung meint. Innerhalb des syrischen Regimes gibt es einen Flügel, der die Krise durch eine Einigung mit den Kurden und der Autonomieverwaltung lösen will. Die Regierung bewegt sich jedoch nicht. Wir befinden uns hier in Şehba und das Regime hat beispielsweise bisher noch nicht einmal ein einziges Brot zollfrei in die Region kommen lassen. Şehba steht weiterhin unter einem Embargo. Selbstverständlich sind wir zu einer Lösung über einen Dialog bereit, aber auch das Regime muss diese Ernsthaftigkeit zeigen.“