Friedhofsbesuch bei Kobanê-Gefallenen

Am sechsten Jahrestag der Befreiung von Kobanê hat die ganze Stadt den Kämpferinnen und Kämpfern gedacht, die dem IS die erste, aber vor allem entscheidende Niederlage beibrachten. Der Gefallenenfriedhof Dîcle wurde in ein Lichtermeer verwandelt.

Anlässlich des sechsten Jahrestags der Befreiung von Kobanê ist der Gefallenenfriedhof Dîcle in ein Lichtermeer verwandelt worden. Zu der Gedenkfeier hatte der Rat von Gefallenenangehörigen geladen. An jedem Grab der gefallenen Kämpferinnen und Kämpfer der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ wurden Kerzen angezündet und Gebete gesprochen.

Der Şehîd-Dîcle-Friedhof im Zentrum von Kobanê beherbergt die Gräber hunderter Menschen, die dem selbsternannten IS in Kobanê die erste, aber vor allem entscheidende Niederlage beibrachten. „Dieser Januar vor sechs Jahren hat sich tief in das Gedächtnis der internationalen Öffentlichkeit eingegraben“, sagte Ehmed Şêxo vom Leitungsrat der PYD bei einer Ansprache. „Die Kämpferinnen und Kämpfer von Kobanê setzten die Welt mit ihrem Willen und Mut in Erstaunen, während sie die Stadt unter einem hohen Blutzoll verteidigten. Sie waren es, die für die Völker den Sieg über die schwarze Barbarei errungen haben.”

Ehmed Şêxo

Der Kampf um Kobanê

Im September 2014 erschütterte der Vormarsch der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) den Mittleren Osten und die ganze Welt. Die unter anderem mit erbeuteten US-Waffen aus irakischen Beständen und türkischer Unterstützung hochgerüstete Terrororganisation hatte nach der kampflosen Einnahme von Mosul ihr Augenmerk auf Nordsyrien und insbesondere auf Kobanê gerichtet. Nichts schien die Islamisten zu stoppen, nachdem Raqqa überrannt und die Hälfte Syriens für das selbsternannte „Kalifat“ beansprucht wurde.

In Raqqa hatte sich der IS zudem reichlich mit russischen Waffen ausgestattet und marschierte direkt weiter auf Kobanê. Mit der Übernahme der Region wollte sich der IS eine weitere Verbindung zu seinen Nachschubwegen in die Türkei öffnen und der demokratischen Selbstverwaltung einen empfindlichen Schlag versetzen. Da die Selbstverwaltung für die Türkei den Hauptfeind darstellte und auch von den übrigen NATO-Staaten abgelehnt wurde, wurde Kobanê abgeschrieben.

Der Kampf um Kobanê bildete aber den entscheidenden Wendepunkt. Der türkische Regimechef Recep Tayyip Erdoğan behauptete immer wieder, Kobanê sei gefallen und US-Außenminister John Kerry erklärte, so bedauerlich es sei, werde man nicht eingreifen, denn Kobanê habe keine „strategische Bedeutung.“ Erst der hartnäckige Widerstand der YPG und YPJ, der Menschen in Kobanê und weltweiter Protest zwangen die USA zur Unterstützung. Die Hauptlast trugen aber weiterhin die YPG und YPJ. In 134 Tagen Kampf um jeden Quadratmeter der Stadt brachten sie der größten Terrormiliz des 21. Jahrhunderts die entscheidende Niederlage bei.

Bedrohung durch die Türkei

Im Kampf gegen den IS haben in Nord- und Ostsyrien 11.000 Menschen ihr Leben verloren. Heute droht Kobanê die Besatzung durch die Türkei. In der vom Erdogan-Regime aufgestellten „Syrischen Nationalarmee“ (SNA), die für die Besatzung von Serêkaniyê und Girê Spî im Oktober 2019 als Bodentruppen eingesetzt wurde, befinden sich zahlreiche ehemalige IS-Mitglieder. Der türkische Plan sieht die komplette Besatzung Nordsyriens vor.