Flucht aus der türkischen Besatzungszone

Dutzenden Menschen aus einem Dorf bei Girê Spî ist mit der Hilfe des selbstverwalteten Militärrats die Flucht aus der türkischen Besatzungszone ins Autonomiegebiet geglückt. Es gibt viele weitere Menschen, die nach zwei Jahren Besatzung fliehen wollen.

In den von der Türkei besetzten Gebieten in Nordsyrien herrscht ein von islamistischen Söldnern betriebenes Willkürregime. Die ursprüngliche Bevölkerung in den Besatzungszonen lebt unter schweren Bedingungen und viele Menschen flüchten vor Unterdrückung, Gewalt und Armut aus ihren Heimatorten ins nordostsyrische Autonomiegebiet.

Der türkische Staat hat 2017 damit begonnen, selbstverwaltete Regionen in Nordsyrien zu besetzen. Zunächst wurden mit Unterstützung von Milizionären der sogenannten FSA („Freie Syrische Armee“), für die Islamisten von der Al-Nusra-Front und des „IS“ rekrutiert wurden, Dscharablus, al-Bab und Gebiete in Aleppo besetzt. 2018 folgte die Invasion in Efrîn. Die dabei begangenen Kriegsverbrechen sind dokumentiert und allgemein bekannt. Da die Türkei in keiner Weise dafür sanktioniert wurde, wurden 2019 Girê Spî (Tall Abyad) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) besetzt.

Am Donnerstagmorgen ist vier Familien aus dem Süden von Girê Spî die Flucht ins Autonomiegebiet geglückt. Die Flucht der insgesamt 24 Personen wurde vom Militärrat von Girê Spî und den Sicherheitskräften der Autonomieverwaltung organisiert. Im Westen von Ain Issa wurden die Zivilist:innen von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) in Empfang genommen und mit dem notwendigen Bedarf versorgt. Danach wurden die Familien der Obhut des Volksrats von Ain Issa übergeben. Ain Issa war bis zu der türkischen Invasion im Herbst 2019 der Sitz der Autonomieverwaltung.

Wir haben uns wie Gefangene gefühlt“

Einer der Geflüchteten ist Casim El Mihemmed. Er sagt, dass sich die Familien in den vergangenen zwei Jahren hauptsächlich von Bulgur ernährt haben: „Zu Beginn der Besatzung gab es gewisse Unterstützung, um einen guten Eindruck zu erwecken. Nach zwei Monaten wurden die Hilfen vollständig eingestellt. In den letzten sieben Monaten hatten wir eigentlich gar nichts mehr. Die Besatzer haben alles kaputt gemacht. Im letzten Jahr hatten wir noch Weizen, aber in diesem Jahr war nichts mehr übrig. Auf dem Weg hierher hatten wir große Angst, dass uns etwas zustößt. Aber wir sind angekommen und danken allen, die uns dabei geholfen haben. Seit unserer Ankunft sind wir entspannt. Dort war es wie im Gefängnis. Wir haben uns wie Gefangene gefühlt. Heute haben sich die Gefängnistore geöffnet und wir sind frei.“

Wir konnten den Hunger und die Unterdrückung nicht mehr ertragen“

Şehe El Ubêt sagt, sie seien vor Hunger und Unterdrückung geflohen: „Wir hatten keinen Diesel und keine Grundgüter mehr. Unser Essen haben wir auf dem offenen Feuer gekocht. Auch unsere Tiere hatten nichts mehr zu essen. Das Dorf war wie ein Gefängnis, wir durften es nicht verlassen. Deshalb waren unsere Vorräte restlos verbraucht. Wir konnten den Hunger und die Unterdrückung nicht mehr ertragen. Als wir unsere Häuser und unser Land verlassen mussten, haben wir sehr geweint. Wir hatten jedoch keine andere Wahl. Jetzt sind wir glücklich, dass wir es geschafft haben.“

Viele Menschen wollen aus den besetzten Gebieten fliehen“

In Ain Issa werden die geflüchteten Familien versorgt. Şîrî Ebîd ist Mitglied des örtlichen Zivilrats und hat die Familien aus Girê Spî in Empfang genommen. „Als Zivilrat werden wir die notwendige Unterstützung leisten. Diese Familien sind ja nicht die einzigen, es gibt viele Menschen aus der Zivilbevölkerung, die zu uns fliehen wollen. Wir versuchen ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten dabei zu helfen.“

Osman Şahin vom Militärrat Girê Spî ergänzt: „Wir haben weiterhin Kontakt zur Zivilbevölkerung in Girê Spî. Heute haben wir diese Familien zusammen mit den Asayîş dort herausgeholt. Sie haben unter schweren Bedingungen gelebt und lange Zeit der grausamen Unterdrückung durch den türkischen Staat und seine Banden widerstanden. Wir sind sehr froh, dass wir sie herausholen konnten. Unsere Bemühungen werden wir fortsetzen, denn es gibt viele weitere Menschen, die kommen wollen.“