Ferhad Şamî: „Wir sind bereit, jeden möglichen Angriff zu beantworten“

Der QSD-Pressesprecher Ferhad Şamî warnt vor einer bevorstehenden türkischen Invasion und sagt: „Wir sind bereit, jeden möglichen Angriff zu beantworten.“

Am 23. Mai hat der türkische Regimechef Recep Tayyip Erdoğan eine neue Invasion in Nord- und Ostsyrien und die Besetzung des gesamten Grenzstreifens bis 30 Kilometer ins Inland angekündigt. Im ANF-Gespräch warnt der Pressesprecher der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Ferhad Şamî, vor einem bevorstehenden Angriff, obwohl an der Front noch keine sichtbaren Bewegungen stattgefunden haben. Gleichzeitig haben der türkische Geheimdienst MIT und seine Söldnergruppen mit einer Offensive der psychologischen Kriegsführung und Propaganda begonnen.

Besatzung seit 2011 auf türkischer Agenda

Seit 2011 verfolgt der türkische Staat das Vorhaben, einen 30 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze zu besetzen. „Für den türkischen Staat ist der Angriff kein Mittel, sondern das Ziel“, unterstreicht Şamî. „Es geht darum, das Territorium Syriens zu besetzen. Um die Besetzung von Nord- und Ostsyrien zu legitimieren, werden Falschbehauptungen aufgestellt, wie zum Beispiel, dass unsere Kräfte Angriffe gegen die Türkei durchführen würden. So etwas gibt es nicht. Erdoğan und der türkische Staat verfolgen das Ziel, ihre Pläne von 2011 zu verwirklichen.

Besonders nach Beginn des Ukraine-Kriegs gibt es in der Türkei manche inneren Probleme, gleichzeitig hat die Türkei Schwierigkeiten mit Russland, den USA und anderen Staaten. Die Türkei will nicht, dass sich Syrien stabilisiert, der Krieg soll weitergehen, die Bevölkerung vertrieben werden. Das ist der Grund für die Drohungen und Vorbereitungen für eine neue Invasion.“

Wir erwarten den Angriff“

Zu der Ankündigung Erdoğans, eine neue Invasion zu starten, sagt Şamî: „Wir wissen noch nicht, ob dieser Angriff lokal oder breit und umfassend sein wird. Es ist auch noch zu früh, um zu sagen, ob der Angriff bald stattfinden wird. Im Moment gibt es an den Fronten keine klaren militärischen Bewegungen. Es sind nirgends Truppenkonzentrationen sichtbar. Aber der türkische Staat hat bereits jetzt einen bedeutenden Teil von Syrien besetzt. Es geht nicht nur um Nordostsyrien, sondern auch um ein großes Gebiet in Nordwestsyrien. In den türkisch besetzten Gebieten Idlib, Efrîn, Cerablus, Bab, Azaz, Serêkaniyê und Girê Spi befinden sich mehr als 50.000 türkische Soldaten, zehntausende Söldner und tausende Panzer.“

Eine IS-Pufferzone soll errichtet werden“

Şamî beschreibt die Pläne des türkischen Staates, eine Pufferzone von Dschihadisten, einen „schwarzen Gürtel“ zu schaffen, angelehnt an die Politik des arabischen Gürtels des syrischen Regimes. Schwarz gilt als die Farbe des sogenannten Islamischen Staates (IS). „Dazu werden Söldner aus dem IS und ähnlichen Gruppen an die Kampflinien gebracht“, betont Şamî. „Insbesondere im Süden Efrîns bis al-Bab, Cerablus und Minbic und den Westen von Kobanê werden Söldner von Hayat Tahrir al-Sham (Jabhat al-Nusra), Hurras al-Din und dem IS stationiert. Sie sollen gegen unsere Kräfte und Gebiete eingesetzt werden.“

Es gibt einen Propagandaangriff“

Şamî weist auch auf einen koordinierten Propagandaangriff und die psychologische Kriegsführung hin: „Der MIT und ihre Söldner verbreiten Behauptungen, es würden an der Front neue Truppen zusammengezogen. Es gibt aber keine sichtbaren Bewegungen an der Front. Auch an den Stellungen der internationalen Mächte hat sich nichts geändert. Die internationalen Truppen in unseren Gebieten sind immer noch in ihren Stellungen. Es gibt keinen Rückzug. Dennoch gibt es in der letzten Zeit eine Zunahme von Bewegungen in den russischen Basen bei Kobanê und Ain Issa. Es besteht die Möglichkeit, dass die Bewegungen der russischen Truppen am Boden und in der Luft zunehmen werden.“

Die Reaktionen der internationalen Mächte schrecken nicht ab“

Ferhad Şamî berichtet, man habe mit den in der Region präsenten Vertretern der russischen Truppen, der US-Armee und der internationalen Koalition über die Gefahr einer Invasion gesprochen. Er führt aus: „Sie sagten uns, dass sie kein grünes Licht für einen neuen Invasionsangriff des türkischen Staates gegeben hätten. Manche internationalen Mächte zeigten Reaktionen auf die türkischen Drohungen, aber diese Reaktionen waren nicht besonders ernst. Wir haben ihnen gegenüber unsere Perspektive zum Ausdruck gebracht. Wir forderten sie auf, sowohl militärisch als auch juristisch ernsthafte Schritte zu unternehmen und sich klar gegen die Invasionsdrohungen des türkischen Staates zu stellen.“

Wir werden Frieden mit Frieden und Krieg mit Krieg beantworten“

Zu den Vorbereitungen gegen eine mögliche Invasion sagt Şamî: „Wir haben uns bereits lange auf eine türkische Invasion vorbereitet. Wenn es einen Angriff auf die Autonomieregion geben sollte, wird dieser nicht auf unsere Gebiete beschränkt sein. Er wird weitere Gebiete einschließen. Ein möglicher Invasionsangriff des türkischen Staates wird nicht nur unserer Region schaden, sondern auch die Position einiger internationaler Mächte vor Ort beeinträchtigen. Aber vor allem wird der türkische Staat einen schweren Schlag erleiden. Unser Motto ist es, auf Frieden mit Frieden und auf Krieg mit Krieg zu antworten. Wenn sich ein Angriff auf unsere Gebiete entwickelt, wenn sich eine Kriegssituation aufbaut, werden wir darauf reagieren, indem wir einen ernsten Kampf führen.