„Erdogan wird die Völker Syriens nicht spalten können“

Scheichs verschiedener arabischer Stämme aus Raqqa haben sich gegenüber ANF zu der von der Türkei aufgebauten „Freien Armee“ und den Geschehnissen im ostsyrischen Deir ez-Zor geäußert.

Der türkische Staat hat Syrien nach dem Sieg der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) über den IS mit einer zweiten Dschihadisten-Armee angegriffen, der sogenannten „Freien Armee“. Wir haben mit Scheichs aus Raqqa gesprochen, die keine Macht außer den QSD und der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien in ihrem Territorium haben wollen. Sie sind der Meinung, dass in Deir ez-Zor versucht wird, einen Keil zwischen die QSD und die Bevölkerung zu treiben.

Mihemmed Turki ist der Scheich des Stammes der Sapgha. Er sagt, dass der türkische Staat Unfrieden zwischen den Völkern stiften will. So wie damals die Osmanen habe jetzt das Erdogan-Regime Girê Spî [Tall Abyad] und andere Orte in Nordsyrien besetzt. Der Zivilbevölkerung seien Land und Häuser genommen, Ortsnamen seien geändert worden:

„Die Menschen sind vertrieben worden, an ihrer Stelle wurden dort Menschen angesiedelt, die ganz woanders herkommen. Erdogan bringt seine Dschihadisten her und siedelt sie auf unserem Land an. Sie zerstören unsere Städte und Dörfer. Wir sind alle Syrer, aber wir wurden aus unseren Häusern vertrieben. Die Neuankömmlinge verkaufen sowohl sich selbst als auch ihr Land. Sie sind zu Sklaven Erdogans geworden. Ja, auch sie sind Syrer. Von uns wird gefordert, dass wir sie akzeptieren. Aber sie haben uns verlassen und sind zum türkischen Staat gegangen. Jetzt vergießen sie das Blut ihrer eigenen Geschwister. Sie haben unser Land geplündert und alles geraubt. Wer ihnen in Serêkaniyê [Ras al-Ain] nichts nützt, kann dort nicht mehr leben.“

Als Stämme stehen wir an der Seite der QSD

„Erdogan plündert und besetzt unser Land“, sagt Mihemmed Turki: „Und dann will er, dass wir an seiner Seite stehen. Wir stehen an der Seite der QSD und unterstützen niemand anderen. Wir werden es nicht zulassen, dass unser demokratisches Projekt zerstört wird. Auf diesem Boden ist so viel Blut geflossen. Unsere Gefallenen haben ohne Zögern ihr Leben geopfert, damit wir frei leben können. Die QSD kämpfen, um unser Land zu schützen. Und wir wissen, dass sie uns niemals im Stich lassen werden. Deshalb lassen wir es nicht zu, dass der türkische Staat ankommt und alles zerstört. Syrien, der Iran und alle, die hier hergekommen sind, haben uns Stämme nicht ernst genommen und nicht als Ansprechpartner betrachtet. Aber die QSD haben mit uns gesprochen und uns die Initiative überlassen.

Die Stammesältesten in Deir ez-Zor, gegen die Attentate verübt wurden, sind angegriffen worden, weil sie das Richtige getan haben. Es wird versucht, zwischen den QSD und der Bevölkerung Unfrieden zu stiften. Die ehrenvollen Menschen in Deir ez-Zor wissen das. Ich glaube, dass auch die Stammesältesten in Deir ez-Zor sich dessen bewusst sind. Sie werden dieser schmutzigen Politik des türkischen Staates keinen Raum geben. Die angegriffenen Scheichs wussten auch, dass absichtlich Konflikte zwischen den QSD und dem Volk geschürt werden. Diese Scheichs sind unsere Verwandten, sie gehören zu unserem Volk. Vorfälle dieser Art haben wir schon öfter erlebt. Wir alle sind Kinder Syriens. Der türkische Staat fühlt sich von uns gestört, weil wir in Kobanê und al-Bagouz den IS besiegt haben. Deshalb mag er uns nicht. Die Stämme haben viele Gefallene in den Reihen der QSD. Wir haben 12.000 Gefallene und 25.000 Kriegsversehrte. Wir haben niemanden betrogen und niemanden mit Geld hergebracht. Wir haben niemanden gekauft und angreifen lassen, so wie es der türkische Staat getan hat. Die QSD bestehen aus Menschen, die an etwas glauben und ihr eigenes Land, ihre Eltern und Kinder schützen wollen. Als Stammesälteste werden wir immer an der Seite der QSD und der Autonomieverwaltung stehen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz werden wir unseren Grund und Boden verteidigen.“

Die Kurden sind unsere Geschwister

Ramazan al-Rihel ist der Scheich des Stammes der Welde. Er sagt, das einzige, was der türkische Staat in Syrien tue, seien Besatzung, Plünderung und das Schüren von Konflikten unter den Völkern. Und er erinnert daran, dass sein Stamm vierzig Jahre lang Widerstand gegen die Osmanen geleistet habe: „Sie haben uns Unwissenheit hinterlassen und sind gegangen. Auch heute ist unser Land besetzt worden. Es liegt jedoch in den Händen der Bevölkerung Syriens, das nicht zuzulassen. Leider gibt es einige Syrer, die sich von Erdogan haben kaufen lassen und jetzt im Namen des syrischen Volkes Massaker begehen. Sie haben Hevrîn Xelef ermordet, sie vergewaltigen sechzehnjährige Mädchen in Efrîn, sie töten Menschen in Syrien und rauben ihren Grund und Boden. Diese Leute, die Syrien nicht verteidigen können, gehen jetzt nach Libyen. So wie sie die Menschen in Syrien getötet und ihr Land geplündert haben, sind sie jetzt in Libyen und tun dasselbe. Und all das geschieht auf Weisung Erdogans. Seitdem Erdogan in Syrien eingedrungen ist, finden hier schmutzige Sachen statt. Er unternimmt alles, damit die Menschen ihre Heimat verlassen und weggehen. Er verändert die demografische Struktur und bringt andere Leute her, um sie auf unserem Land anzusiedeln.

Die Leute tun jetzt auf unserem Land, was immer sie wollen. In unseren Häusern wohnen jetzt Fremde, die ,Freie Armee' genannt werden. Es ist keine freie Armee, es ist eine schmutzige Armee. Sie vergießen das Blut ihrer Geschwister. Habt ihr das jemals gesehen auf der Welt, dass Menschen das Blut ihrer Geschwister vergießen? Das ist es, was die Leute unter dem Namen ,Freie Armee' tun. Sie haben ihr Land im Stich gelassen und sind zu Erdogan übergelaufen. Und für alles werden die Kurden als Vorwand genommen. Die Kurden sind unsere Geschwister.“

Syrien steht allen ehrenwerten Menschen offen

Ramazan al-Rihel appelliert: „Ich richte eine Botschaft an alle: Niemand soll die Uniform der sogenannten Freien Armee anziehen und die Kurden unterdrücken. Wir leben in unseren eigenen Häusern auf unserem eigenen Land, aber wir werden angegriffen. Ich sage das zu denen, die Syrien verkaufen. Syrien steht allen ehrenwerten Menschen offen. Wir heißen alle in unserem Land willkommen, die sich ihre Würde und ihre Ehre bewahren. Wenn andere Menschen kommen, sollen sie Reue zeigen und sich an die Seite ihrer Mütter setzen. Sie sollen sich an die QSD halten und ein richtiges Leben in ihrem Land führen. Wenn die Leute, die zu Erdogan gegangen sind, sich so verhalten, können wir Erfolg haben. Dann können wir Syrien vom Terror befreien. Dass wir heute leben, haben wir den Gefallenen zu verdanken. Hevrîn Xelef und die ermordeten Stammesältesten sind gefallen, weil sie an die Befreiung geglaubt haben. Ich appelliere an die Scheichs, die den Besatzern vertrauen. Lauft nicht zu ihnen über. Ihr seid im Besitz von Boden und Ehre. Dieser Boden gehört nicht dem Iran, Erdogan oder dem Regime. Er gehört uns. Wir wollen den Weg mit euch gemeinsam gehen. Dieses Versprechen geben wir euch im Namen der Scheichs, die sich ihre Ehre bewahren, und der Leitung der QSD.

Die Unruhestifter greifen nicht nur die Stammesältesten an, sondern unser gesamtes Volk und alle ehrenwerten Menschen. Wie schon unser Prophet gesagt hat, glaubt nicht an jene, die Unfrieden stiften. Die Kurden, die Eziden, die Assyrer, sie alle sind unsere Geschwister. Die QSD befreien das Land und verteidigen unseren Boden gegen die Besatzer. Wir sind ihnen innig verbunden. Lasst uns dieses Feuer gemeinsam löschen und unser Land zusammen verteidigen. Diese Politik, die Konflikte schürt und uns spaltet, setzt unser Land in Brand. Lasst uns das Land gemeinsam schützen und alle schmutzigen Machenschaften abwehren.“

Die QSD haben unser Land befreit

Hussein al-Berces ist Scheich des Stammes der al-Baryedsch und sagt, dass der türkische Staat das Maß in Syrien bei weitem überspannt hat. Es sei an der Zeit, die türkische Besatzung und Unterdrückung zu stoppen. Die Dschihadisten des IS seien auf Befehl Erdogans ausgebildet worden und die QSD hätten gegen sie gekämpft und das Land befreit: „Der türkische Staat nennt die QSD Terroristen, aber er ist selbst terroristisch. Er bildet Terroristen aus und ernährt sie. Wir appellieren an die ganze Welt: Der Terror des türkischen Staates in Syrien muss beendet werden. Was vorher der IS getan hat, findet jetzt im Namen der sogenannten ,Freien Armee' statt. Die Türkei bildet Dschihadisten aus und lässt sie unser Land angreifen. Und die internationalen Mächten unterstützen das. Wir wollen weder den türkischen Staat noch ein anderes Land auf unserem Boden. Es sind die Menschen aus Syrien, die QSD, die unser Land schützen und die Terroristen aus Syrien vertreiben werden. Wer zu Erdogan geht, denkt nur an sich selbst und nicht an Syrien. Auch diese Leute sind Syrer, aber sie haben Syrien verkauft. Der türkische Staat will nicht nur Syrien besetzen, sondern alle arabischen Länder. Jetzt bringt er seine Dschihadisten auch noch nach Libyen. Und das tut er vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Auch die USA sehen das und sie unterstützen die Türkei. Sie haben zugelassen, dass der türkische Staat den IS nach Syrien bringt, und jetzt verschließen sie ihre Augen davor, dass dasselbe in anderen arabischen Ländern geschieht.

Wer Syrien repräsentieren will, muss das innerhalb Syriens tun. Als Scheichs der Stämme stehen wir an der Seite der QSD und werden sie bis zum Ende unterstützen. Das Vorgehen in Deir ez-Zor ist geplant worden, um die Bevölkerung zu spalten. Unsere dortigen Verwandten müssen die Unruhestifter stoppen. Bei diesen hergestellten Konflikten haben viele Stellen ihre Finger mit im Spiel. Wir sind dagegen, dass Syrer sich gegenseitig töten. Sämtliche Staaten haben ihre Finger mit im Spiel und wollen unsere Stämme instrumentalisieren. Innerhalb der QSD soll Unfrieden gestiftet werden. Aber selbst das wird uns nicht schwächen. Ganz im Gegenteil, wir werden noch stärker und überzeugter an der Seite der QSD stehen. Die Bevölkerung Syriens wird an der Seite der QSD stehen. Alle Scheichs sollten sich gegen diese schmutzigen Machenschaften stellen.“