Am Institut für Sozialwissenschaften an der Universität Rojava in Qamişlo hat am Freitag das Einführungsseminar in der Vorlesungsreihe „Rojava Freedom“ stattgefunden. Die Veranstaltung fand im Konferenzsaal der landwirtschaftlichen Fakultät statt und wurde live übertragen.
Hauptredner war der US-amerikanische Linguist, Kapitalismus- und Globalisierungskritiker Noam Chomsky, der über Zoom an dem Seminar teilnahm. Chomsky ging auf die schwierige Situation in Rojava ein und sagte, die wichtigste Frage sei im Moment, wie die mit Zustimmung der USA erfolgenden Angriffe der Türkei abgewehrt werden können. Eine weitere Frage sei der Umgang mit der Regierung in Damaskus. „Dass Rojava bis jetzt weiter existiert, ist ein Wunder. Aus der Erfahrung wissen wir, dass internationale Unterstützung möglich ist“, führte Chomsky aus.
Zum bevorstehenden Machtwechsel und der Mittelostpolitik der USA sagte Chomsky, dass ohne Druck von unten auch unter dem neu gewählten Präsident Joe Biden das System Bestand haben werde, die Reichen zu schützen: „Er mag sich von Trump unterscheiden, aber man darf nicht zu viel von ihm erwarten.“ Auf Biden müsse Druck ausgeübt werden. Es sei nicht davon auszugehen, dass er wie Trump seine Zustimmung für ein Massaker an den Kurden geben werde.
Chomsky machte auch Vorschläge an die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien und stellte dabei die Garantie von Frauenrechten in den Vordergrund. Das sei die einzige Hoffnung für das Autonomiegebiet. Die Revolution von Rojava sei von großem Wert und müsse von der ganzen Welt beachtet werden.
Das Institut für Sozialwissenschaften an der 2016 gegründeten Universität Rojava wurde im vergangenen Oktober eröffnet. Trotz des Kriegszustands der vergangenen Jahre und der fortgesetzten Bedrohung aus der Türkei sind Forschung und Lehre in den Autonomiegebieten nicht ausgesetzt worden. Die Universität Rojava hat letztes Jahr einen Unterstützungsaufruf an akademische Kreise gerichtet. Hintergrund des Appells war die Corona-Pandemie. Die Universität hat einen Großteil ihres Bildungsangebots auf ein Fernstudiummodell umgestellt und Akademiker*innen aufgefordert, Vorlesungen aus ihren Fachgebieten als Video- oder Audiodateien zur Verfügung zu stellen oder Online-Workshops anzubieten.