Cemil Bayik: Sicherheitszone in Nordsyrien unwahrscheinlich

Cemil Bayik (KCK) hält die Einrichtung einer von der Türkei forcierten Sicherheitszone an der türkisch-syrischen Grenze für unwahrscheinlich. Auch die USA sind von der Idee nicht überzeugt, meint der KCK-Vorsitzende.

Seit geraumer Zeit wird in verschiedenen Medien über die Einrichtung einer von der Türkei gewünschten „Sicherheitszone“ in Nordsyrien und Vermittlungsversuchen der USA berichtet. Cemil Bayik, der Ko-Vorsitzende der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), hat sich gegenüber ANF zu dieser Frage geäußert:

Kurden, Araber und Suryoye haben auf ihrem eigenen Land in Nordsyrien eine Autonomieverwaltung geschaffen. Sie haben es nicht auf dem Territorium der Türkei getan, sondern innerhalb der Grenzen Syriens. Etliche Male haben sie erklärt, dass von ihnen keine Aggression gegen die Türkei ausgeht, sondern vielmehr die Türkei eine aggressive Politik gegen die Autonomieverwaltung verfolgt. In welcher Hinsicht sollen die USA jetzt als Vermittler tätig werden? Wenn die USA vermitteln wollen, müssen sie die Türkei von ihrer aggressiven Haltung abbringen. Die Menschen in Nordsyrien und die Revolution von Rojava haben keine Forderungen an die Türkei. Die kurdische Frage ist in der Türkei weiterhin ungelöst. Was die Völker Nordsyriens wollen, ist eine Lösung der kurdischen Frage in der Türkei. Sie wollen eine Demokratisierung der Türkei. Das ist ein sehr naheliegender Wunsch. Sie haben jedoch nie eine Politik der direkten Intervention in der Türkei verfolgt. Der türkische Staat ist allerdings dagegen, dass die Kurden autonom leben und sich selbst verwalten.

In Nordsyrien sind die USA weiterhin präsent. In der Zeit des Kampfes gegen den IS haben sie dort eine bestimmte Anzahl von Kräften stationiert und Beziehungen mit den Kurden gepflegt. Es wurde ein gemeinsamer Kampf gegen den IS geführt. Die Kräfte, die am Boden für die militärische Niederlage des IS gesorgt haben, waren die YPG/YPJ und die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Die Kurden haben gemeinsam mit den anderen Völkern Nordsyriens ein autonomes System aufgebaut. Sie wollen eine Demokratisierung Syriens. Die Türkei hingegen stempelt dieses gemeinsame System als terroristisch ab. Sie bezeichnet die PYD und die YPG/YPJ als terroristisch. Somit werden die dortigen Kurdinnen und Kurden als Terroristen deklariert. In diesem Zusammenhang versucht die Türkei, eine Begründung für einen Angriff auf Nordsyrien herzustellen. So ist die aktuelle Lage. Diese Situation bringt auch die USA in Schwierigkeiten, die sowohl mit den Kurden als auch mit der Türkei Beziehungen unterhalten. Die USA versuchen aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Sie führen Beziehungen mit der Leitung Nordsyriens, also den dortigen militärischen und politischen Kräften, und ebenso mit den politischen und militärischen Kräften der Türkei. Soweit wir wissen, geht es dabei um die Entstehung von Grenzschutzkräften in einem fünf Kilometer breiten Abschnitt entlang der Grenze. Dieser Grenzschutz soll nicht in den Städten, sondern im ländlichen Gebiet erfolgen. Die Diskussion dreht sich also um die Bildung eines Grenzschutzes in einem fünf Kilometer breiten Abschnitt, in dem es keine schweren Waffen geben soll. Damit soll erreicht werden, dass die von der Türkei behauptete Bedrohung unterbunden wird. Wir haben gehört, dass über ein solches Projekt diskutiert wird.

Es gibt dort ohnehin die YPG/YPJ, die QSD, die lokalen Verteidigungskräfte. Der türkische Staat versucht jedoch über politischen Druck, über Erpressung und Drohungen den Einfluss der Kurden in der Region zu brechen. Angeblich wird er bedroht! In dieser Atmosphäre betätigen sich die USA als Vermittler. Eigentlich gibt es gar nichts, bei dem vermittelt werden müsste. Die Türkei muss gestoppt werden. Es wird jedoch mit den dortigen kurdischen politischen und militärischen Kräften über einen Grenzschutz diskutiert. Zu einem Ergebnis ist es bei den Gesprächen bisher nicht gekommen. Es ist fraglich, ob die Kurden eine solche militärische Kraft im ländlichen Grenzgebiet akzeptieren werden. Einfach zu akzeptieren ist es nicht, denn die Kurden haben diese Gebiete erkämpft. Sie gehören ohnehin der Bevölkerung. Wir verfolgen diese Entwicklungen in den Medien. Es erscheint kaum möglich, dass die Forderungen der Türkei oder die Errichtung einer sogenannten Sicherheitszone akzeptiert werden. Das betroffene Gebiet ist ja sowieso sicher. Mit dem Begriff Sicherheitszone sollen eigentlich nur die dortige politische Leitung und die militärischen Kräfte aus der Region in Frage gestellt werden. Wir gehen nicht davon aus, dass die dortigen revolutionären und demokratischen Kräfte dem Drängen der Türkei nachgeben werden. Auch die USA werden die Forderungen der Türkei wohl kaum akzeptieren, denn die Gebiete, um die es geht, sind ohnehin stabil und sicher. Im Verlauf des Krieges in Syrien sind sogar Araber und Menschen anderer Völker dorthin geflohen und haben sich dort niedergelassen. Die Sicherheit wird einzig und allein von der Türkei bedroht. Was der türkische Staat mit seiner Besatzung in Efrîn angerichtet hat, will er auch im Osten des Euphrat durchsetzen: Die kurdische Bevölkerung vertreiben und die demografische Struktur verändern.