Die Gewalt im „kleinen IS-Staat“ Camp Hol in Nordostsyrien eskaliert immer mehr. Nachdem in den letzten vier Wochen zwei Frauenleichen, deren Körper übersät mit Schlag- und Folterspuren, in dem Lager südöstlich von Hesekê gefunden wurden, ist nun erneut ein Flüchtlingszelt einer Bewohnerin in Brand gesteckt worden. Die usbekische Staatsangehörige Oum Kulthum M. bemerkte rechtzeitig den Anschlag und konnte sich durch Flucht retten. Wie sie gegenüber der Lagerverwaltung äußerte, sollen Anhängerinnen der Terrororganisation „Islamischer Staat” (IS) ihr Zelt in Brand gesteckt haben, weil sie sich den Anweisungen der IS-Dschihadistinnen widersetzte. Ihre Unterkunft brannte vollständig ab.
Das Camp Hol beherbergt 67.000 Personen aus 50 verschiedenen Ländern und gilt als eine der Brutstätten, in der sich der IS reorganisiert. In den letzten acht Monaten sind mindestens 26 Personen exekutiert worden, weil sie sich den Anweisungen des IS widersetzt haben. Die Camp-Leitung geht jedoch von einer noch höheren Anzahl aus. In den meisten Fällen werden die Todesurteile mit scharfen Gegenständen oder Stichwaffen vollstreckt. Die Leichen werden überwiegend unter den Zelten vergraben.
Die Reorganisierung des IS findet im Camp Hol über Frauen statt. Im Camp ist eine „Hisba-Struktur“ gegründet worden, die sich aus Dschihadistinnen zusammensetzt und über das Leben im Lager wacht. Die Hisba ist im Islam eine religiöse Institution für die Wahrung der Ordnung der Scharia. Die Hisba-Frauen in Hol sind überwiegend Ausländerinnen. Sie führen geheime Schulungen durch, bilden Gerichtshöfe und setzen Sanktionen um.
Der Kontakt mit der Außenwelt wird über den Social-Media-Anbieter Telegram gehalten. Wer sich der Terrororganisation widersetzt, wird zum Tod verurteilt und getötet. Der außenpolitische Vertreter der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, Abdulkarim Omar, warnte jüngst bei einer Zusammenkunft mit dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto in Helsinki, dass die im Hol-Camp festgehaltenen IS-Frauen und Kinder eine Zeitbombe darstellen.
Ein weiterer Brandanschlag auf die Unterkunft einer IS-Abtrünnigen war am 23. Januar verübt worden. Das Zelt, in dem eine Indonesierin zusammen mit ihrem Sohn lebte, wurde von außen mit Brandbeschleunigern entzündet. Die Frau und das Kind überlebten, da sie sich zum Zeitpunkt des Anschlags wo anders aufhielten.