Die Gruppe avahî ist ein Zusammenschluss von Menschen verschiedener Professionen mit dem Ziel den Aufbau der Selbstverwaltung und die Frauenrevolution in Rojava zu unterstützen. Zusammen mit WJAR, der Stiftung der freien Frau in Rojava baut die Gruppe ein neues Gesundheitszentrum im Stadtteil Qanat Swes in Qamişlo. Der Bau wurde im August dieses Jahres begonnen und musste im Oktober aufgrund der völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei und ihrer dschihadistischen Verbündeten auf Nordostsyrien unterbrochen werden.
Jetzt soll der Bau weitergehen, kündigt in Gruppe in einer Erklärung an:
„Bisher sind unsere Freund*innen wohlauf, trotz Bombardierungen und Anschlägen auch in ihrer unmittelbaren Nähe. Nun haben sie uns mitgeteilt, dass nächste Woche die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden.
Das Gesundheitszentrum wird dringend benötigt
Qamişlo ist eine Stadt von 250.000 Einwohner*innen. Der Stadtteil Qanat Swes wurde unter Assads Regime benachteiligt und ist besonders stark von Armut betroffen. Die Bevölkerung hat die demokratische Revolution von Beginn an unterstützt. Viele haben bei der Verteidigung gegen den IS Angehörige verloren. Das bedeutet, neben dem schmerzlichen Verlust, für viele Frauen und Kinder oftmals auch noch größere Armut. Da die Gesundheitsversorgung großteils in privater Hand ist und die Selbstverwaltung nur schrittweise kostenlose Versorgung aufbauen kann, können sich viele Familien den Arztbesuch nicht leisten. Wir werden mit dem Bau des Gesundheitszentrums einen lokalen kostenfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung für Frauen und Kinder ermöglichen. Zudem bringt das Gesundheitszentrum als Frauen-Kooperative Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätze. WJAR trägt damit dazu bei, die männliche Dominanz und das Wissensmonopol im Gesundheitssystem zu durchbrechen. Gleichzeitig schaffen sich Frauen einen Zugang zu materiellen Ressourcen und wandeln aktiv die Rollenverteilung in der Gesellschaft.
Avahi - Projektverlauf
Wir arbeiten seit vier Jahren mit WJAR, der Stiftung der freien Frau in Rojava, zusammen. Unsere ursprüngliche Projektidee bedeutete gemeinsames diskutieren und planen, um dann in großen Gruppen aus Deutschland nach Qamişlo zu reisen und dort in Etappen kollektiv zu bauen. Wir haben umfangreiche Bauplanungen gemacht und im Jahr 2018 sind zwei Delegationen nach Rojava gefahren, um den Bau vorzubereiten. Doch der einzig offizielle Grenzübergang nach Nordostsyrien ist auf irakischer Seite in Händen der KDP-Regierung der autonomen Region Kurdistan. Diese kooperiert mit der Türkei, in deren ökonomischer Abhängigkeit sie steht. Da wir uns, im Gegensatz zu vielen NGOs, politisch positionieren, wurden wir immer wieder blockiert. Im Projektverlauf mussten wir deshalb feststellen, dass die Genehmigungen zum Grenzübertritt nicht planbar sind. Neben zwei geglückten Delegationen haben sich drei weitere Gruppen vorbereitet, um nach Rojava zu fahren. Wir haben unsere privaten, politischen und beruflichen Verpflichtungen und Pläne hinten angestellt und einige haben ihre Wohnungen untervermietet und ihre Jobs gekündigt. Die Willkür des Grenzübertritts und seine Unplanbarkeit führten zu erheblichen Schwierigkeiten. Um einen reibungslosen Bauablauf mit Übergabe von Verantwortung von einer Baugruppe zur nächsten zu gewährleisten, bräuchten wir verlässliche und berechenbare Zeitpläne. Deshalb war es uns nicht möglich das Projekt im ursprünglich geplanten Sinne durchzuführen. Doch wir haben zusammen mit WJAR entschieden, dass der unverzügliche Baubeginn wichtiger ist, als die Beibehaltung unseres Plans einer kollektiven Baustelle mit vielen internationalistischen Freund*innen.
Nun haben die Angriffe der faschistischen Türkei und ihre Unterstützung aus Deutschland und der NATO dazu geführt, dass der Bau des dringend benötigten Gesundheitszentrums erneut verzögert wurde. Doch wir werden genauso wenig aufgeben, wie unsere Freund*innen in Rojava und Nordostsyrien jemals aufgeben. Deshalb freuen wir uns sehr, dass jetzt schnell weiter gebaut werden kann.
Verantwortung übernehmen
Unsere Kooperation mit den mutigen Frauen von WJAR wird fortbestehen, das Sammeln gemeinsamer Erfahrungen stärkt unsere Kämpfe. Nur zusammen werden wir, allen Hindernissen zum Trotz, das geteilte Ziel einer freien, selbstorganisierten Gesellschaft auf der Basis der Freiheit der Frauen erreichen. In diesen schweren Zeiten rufen wir alle dazu auf, ihr Engagement zur Verteidigung der Errungenschaften der Frauen in Nordostsyrien zu verstärken. Durch langfristige, anpassungsfähige Zusammenarbeit kann internationalistische Solidarität praktisch werden.
Wir haben Ende Oktober nochmals 13.400 € nach Qamişlo geschickt, insgesamt wurden damit bisher ca. 65.000 € übergeben. Wenn wir nicht selbst bauen können, dann bringen wir unsere Arbeitskraft anders ein. Helft auch ihr, indem ihr einen Arbeitstag spendet und mit euren Kolleg*innen und Freund*innen über das revolutionäre Gesellschaftsmodell in Nordostsyrien sprecht. Werdet Bau-Pate*in und beteiligt euch am Widerstand von #womendefendrojava und #riseup4rojava.
Spendenkonto:
Kurdistan Hilfe e.V., IBAN: DE40200505501049222704, Stichwort: construction
Lasst uns nicht zusehen
Lasst uns nicht zusehen wie unsere Freund*innen erpresst, vertrieben, bombardiert und ermordet werden! Die Revolution in Rojava bewegt uns auf der ganzen Welt, lasst sie uns auch auf der ganzen Welt verteidigen!
Auszüge aus dem Aufruf von WJAR von Mitte Oktober
„Aufgrund der aktuellen Situation mussten wir einige unserer Arbeiten umstellen. Wir konzentrieren uns stärker auf die Unterstützung der von der Grenze geflüchteten Menschen, indem wir Zelte aufbauen und sie mit Hilfsmitteln versorgen. Wir haben die Kinder von Kesûsorê Alan (Waisenhaus in Kobane) in sicheres Gebiet gebracht. Gleichzeitig steigern sich täglich die Sorgen um alle die anderen Kinder und Familien, die sich in der Nähe der Grenze aufhalten. Menschen, die lieber ihr Leben aufs Spiel setzen, als ihre Heimat zu verlassen und diese den dschihadistischen Milizen und dem türkischen Staat zu überlassen. Wo es möglich ist, halten wir die Gesundheitszentren geöffnet. Die Kursangebote in den Städten an der Grenze wurden vorerst eingestellt. Neben den Bombardierungen der Türkei werden für unsere Arbeiten zunehmend auch die Anschläge der sich reorganisierenden IS-Gruppen zu einer Bedrohung. So hat die Explosion in Qamişlo am 11. Oktober 2019 in unmittelbarer Nähe einer Stiftungsmitarbeiterin stattgefunden.
Dennoch sehen wir es als unsere Aufgabe, die Arbeiten weiterzuführen und sogar auszuweiten. Die Menschen wollen ihre Heimat nicht verlassen, fühlen sich aber nahe der Grenze nicht mehr sicher. Nach Angaben der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien sind derzeit knapp 200.000 Menschen auf der Flucht. Sie brauchen materielle und medizinische Unterstützung. Die Zahl der flüchtenden Menschen steigt täglich, ebenso ihre Not. So wie in den letzten Jahren auch, ist die staatliche internationale politische Unterstützung marginal. Die humanitäre Hilfe reicht nicht aus.
[Doch] Friedensarbeit ist möglich! Wie die Selbstverwaltung bewiesen hat und auch wir bei unseren Arbeiten in den Flüchtlingscamps Hol und Roj feststellen konnten, ist trotz der großen Herausforderungen für Campleitung und Sicherheitskräfte eine Friedensarbeit möglich gewesen, wenn sie denn auf Dauer gewollt gewesen wäre. Europa kann sich nun damit auseinandersetzen, welche Wirkung die Unterstützung einer Türkei hat, die darauf abzielt die IS-Gefangenen freizusetzen und den dschihadistischen Terror wiederzubeleben.
Wir müssen uns fragen, in welcher Welt wollen wir leben? Die Nato-Staaten sind in einer Sache konsequent: Wozu sollten sie humanitäre Hilfe leisten, wenn sie sich dem aggressivsten Kriegstreiber der Region mehr verbunden fühlen, als den Menschen und den demokratischen Bewegungen in der Region.
Aus diesen Gründen setzten wir als Frauenstiftung von Anfang an auf die Verbundenheit der Menschen in Europa mit dem Aufbruch der Frauen in Rojava/ Nord- und Ostsyrien. Denn die Frauen haben bewiesen, dass sie mit ihrem Willen – und sei der Feind noch so brutal und hochgerüstet – ihre Heimat in einen Ort des Friedens, der Gleichberechtigung und der Solidarität verwandeln können. Dies gilt nicht nur für Rojava.
Unsere Projekte zielen vor allem darauf ab, Frauen und Kinder in der Bewältigung der Folgen von Krieg und Flucht zu unterstützen, die strukturelle Gewalt gegen Frauen abzubauen und das soziale Leben von Frauen zu stärken. Gerade die Frauen in den Flüchtlingscamps konnten mit nur wenig Unterstützung unsererseits ihre Situation deutlich verbessern. Es gilt Möglichkeiten für Frauen zu schaffen, sich in den Umgestaltungsprozess der Gesellschaft aktiv einzubringen. Zahlreiche Frauen, die sich in unseren Projekten engagieren, waren vorher als Hausfrau und Mutter tätig, sollten als Mädchen oder junge Frauen verheiratet werden, sind geschieden oder verwitwet. Die Frauen in Nordsyrien haben je nach kulturellem Hintergrund mit unterschiedlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wir sehen unsere Arbeit als eine nachhaltige Friedensarbeit, die der Völkerverständigung dient und zur Stärkung der gesamten Gesellschaft beiträgt. Alle Projektbereiche werden zwei- bis dreisprachig für Frauen und Kinder organisiert: Die kommunale Gesundheitsarbeit, Gesundheitskampagnen, Gesundheitszentren, Kooperativen, sozialpsychologische Beratung, Handwerks- und Berufsausbildung, das Waisenhaus Alan‘s Rainbow, Kindergärten, Arbeiten in den Flüchtlingslagern (u.a. Hol und Roj), das Frauendorf Jinwar, uvm.
Aufgrund der Kriegshandlungen sind wir gezwungen die Arbeitsschwerpunkte nach den aktuellen Ereignissen zu gestalten, d.h. Flüchtlinge zu versorgen und Nothilfe zu leisten. Wo es möglich ist, erhalten wir unsere Versorgungsangebote und die Arbeiten in den geförderten Projekten aufrecht. Derweil engagieren wir uns aktiv in der Kampagne #womendefendrojava, da wir überzeugt sind, dass wir gemeinsam einen Frieden realisieren können!
Spendenkonto
Kurdistan Hilfe e.V., Stichwort: WJAR, IBAN: DE40 2005 0550 1049 2227 04