Avahî: Die politische Baustelle Rojava

Das monatliche TATORT Kurdistan Café im Centro Sociale in Hamburg wurde am Mittwochabend von der Baugruppe Avahî ausgerichtet, die eine Poliklinik in Rojava bauen will.

Avahî ist eine Gruppe von Personen, die sich zusammengefunden hat, um Bauprojekte in der Demokratischen Föderation Nordsyrien / Rojava zu finanzieren, planen und kollektiv umzusetzen. Sie besteht überwiegend aus Handwerker*innen und arbeitet seit Sommer 2015 an einem Konzept für den Bau eines Gebäudes in Rojava, das der Allgemeinheit von Nutzen sein soll.

Avahî hat kürzlich ihre erste Delegationsreise in die Demokratische Föderation Nordsyrien durchgeführt. Zwei der Teilnehmer*innen berichteten im Rahmen des monatlichen TATORT Kurdistan Cafés in Hamburg von ihren Erfahrungen und Eindrücken. Insbesondere jedoch stellten sie den 45 anwesenden Interessierten ihr Projekt vor.

Die Delegation hielt sich hauptsächlich in den Städten Kobanê und Qamişlo auf - und im Auto, wie scherzhaft bemerkt wurde. Die beiden Referierenden zeigten sich beeindruckt, wie sehr Leben und Alltag auf den Straßen Qamişlos blühen, wie weit der Aufbau der Selbstverwaltungsstrukturen schon vorangeschritten ist und besonders aber auch, wie die Menschen Tag und Nacht an dem Projekt arbeiten.

In Kobanê sei es besonders eindrucksvoll gewesen, nun an diesem Ort zu sein, der weltweit zum Symbol des Widerstandes wurde. Sie berichteten von den Zerstörungen, die auch partiell als Freiluftmuseum in diesem Zustand gelassen werden, betonten jedoch den Wiederaufbau. Dabei bestimmt das Gedenken an die Gefallenen das Stadtbild, deren Fotos überall sichtbar sind.

Zusammenarbeit mit der Frauenstiftung WJAR

Avahî arbeitet mit der Stiftung Freier Frauen Rojavas (WJAR) zusammen, mit welcher sie gemeinsam im engen Austausch das Bauprojekt planen. Im kollektiven Prozess wird eine Poliklinik gebaut, deshalb lag der Fokus der Delegationsreise besonders auf dem Gesundheitsbereich. Es wurden verschiedene Gesundheitszentren, Kliniken und weitere Einrichtungen, wie das kurz vor der Fertigstellung stehende Waisenhaus in Kobanê, besucht.

In Gesprächen mit den Fachkräften vor Ort wurde so auch evaluiert, was denn tatsächlich benötigt wird. Neben Medikamenten und medizinischen Gerätschaften, deren Verfügbarkeit durch das bestehende Embargo massiv behindert wird, fehlt es besonders auch an Einrichtungen für psychologische Betreuung und den entsprechenden Fachkräften.

Schließlich ging es um die Baustelle selbst. Es existiert bereits ein Stahlbeton-Skelett, welches noch aus der Assad-Zeit stammt und ursprünglich eine Moschee werden sollte. Die nun geplante Nutzung als Poliklinik, die kostenlose Gesundheitsversorgung bereitstellen wird, wird auch von den Menschen ausdrücklich und freudig begrüßt.

Ökologie als wichtiges Prinzip

Neben Kollektivität und Solidarität ist auch Ökologie ein wichtiges Prinzip des Projekts. Deshalb steht die Verwendung ökologischer Alternativen zu herkömmlichen Baustoffen im Mittelpunkt, weshalb der Entschluss gefasst wurde, zusätzlich zur Stahlbetonkonstruktion mit Lehmbausteinen zu arbeiten.

Für das gemeinsame, kollektive Planen sind die Erfahrungen vor Ort sehr wichtig. So wurde im Frauendort Jinwar bereits mit verschiedenen Arten der Lehmbauweise experimentiert. Dort findet auch die Produktion der Lehmbausteine statt. Lehm hat den Vorteil, dass er in schier unbegrenzten Mengen verfügbar ist, dass er ökologisch ist und zudem keinem Embargo zum Opfer fallen kann. Das Bauprojekt wird etappenweise realisiert werden, begonnen wird mit einem Empfangsbereich, einer

Apotheke inklusive Labor, Behandlungszimmern und natürlich der Teeküche.

Baubeginn in drei Monaten

Der erste Bauabschnitt wird in circa drei Monaten begonnen werden. Hierfür werden noch Menschen gesucht, die sich am Bau beteiligen möchten.

Wer sich einen weiteren Einblick verschaffen möchte - beispielsweise wie es vor Ort aussieht - kann sich auf dem Blog https://avahi.noblogs.org/ oder auf Twitter @avahi_ informieren. Dort sind auch die Kontodaten vermerkt, denn neben helfenden Händen braucht es auch weiterhin finanzielle Unterstützung.