Der 25. Juni ist ein Trauertag in Kobanê, die Wunden sind noch frisch. Auf einem eigens angelegten Friedhof reihen sich die Gräber von 252 Frauen, Männern und Kindern, allesamt Zivilist*innen, aneinander. Sie wurden am heutigen Tag vor fünf Jahren vom „Islamischen Staat” (IS) ermordet. Dieses Massaker geht allerdings nicht nur auf das Konto des IS, auch der türkische Staat ist für den Massenmord mit verantwortlich. Der Tathergang zeigt dies deutlich.
Als gerade wieder Leben zu blühen begann
Das Leben in Kobanê hatte gerade begonnen wieder aufzublühen. Die Menschen freuten sich über den Sieg über den IS bei Girê Spî (Tall Abyad) und die Befreiung der Stadt, als der IS zu einem furchtbaren Vergeltungsschlag ausholte. Gespräche mit Augenzeugen enthüllen die Schrecken dieses Tages, der sich in das Gedächtnis der Menschen in Kobanê einbrannte.
Hundertköpfiges IS-Kommando zieht mordend durch die Stadt
Am Morgen des 25. Juni 2015 gegen 4.40 Uhr infiltrierten zwei Einheiten des IS verkleidet als YPG-Kämpfer und Sicherheitskräfte das befreite Kobanê und begannen von Haus zu Haus zu gehen und Alte, Männer, Frauen und Kinder systematisch zu ermorden. Die Menschen berichteten, die Mörder hätten sich extra ihre Bärte abrasiert, um unerkannt in die Stadt eindringen zu können. Es handelte sich um ein hundertköpfiges IS-Kommando, das von Süden her in die Stadt einrückte und mordend von Haus zu Haus zog. Sie drangen in Wohnungen ein und brachten eine Familie nach der anderen um. Als die YPG und die Sicherheitskräfte den Kampf gegen das IS-Kommando aufnahmen, kam der Einsatz der Mörder aus der Türkei.
Verstärkung für IS-Dschihadisten aus der Türkei
Der komplett geschlossene türkische Grenzübergang Mürşitpınar wurde eigens für die IS-Verstärkung und für mehrere Autobomben geöffnet. Die Mörderbanden fuhren, wie Dutzende Augenzeugen bestätigen, offen mit schweren Waffen beladen über die türkische Grenze in Kobanê ein. So berichtet ein Augenzeuge ein Jahr nach dem Massaker: „Diese Stadt wird auf dem Blut der Gefallenen wiederaufgebaut. Wir haben so viele Gefallene. Wie kann es sein, dass wir fünf Wagen mit DschK (Flugabwehrgeschütze) des IS gesehen haben, die die türkische Grenze passieren, und man hält sie nicht auf? Der IS und die AKP handeln aus der gleichen Mentalität heraus.“
252 Menschen ermordet
Dennoch konnten die Verteidigungskräfte den Angriff zurückschlagen. Zurück blieben 252 tote Zivilistinnen und Zivilisten, die Jüngsten nur wenige Jahre alt. Sie wurden auf einem besonderen Gedenkfriedhof der Stadt beigesetzt.
IS heute wieder für die Türkei in Nordsyrien
Vielen der IS-Mörder gelang die Flucht über die türkische Grenze. Der Verdacht liegt nahe, dass diese sich unter den IS-Dschihadisten in den Reihen der Söldner der sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) nun erneut in Nordsyrien befinden.