Wolfsburg: Freispruch für Journalisten Pay Numrich
Der als vermeintlicher Blockierer eines VW-Autozuges wegen Beihilfe zur Nötigung angeklagte Journalist Pay Numrich ist vom Amtsgericht Wolfsburg freigesprochen worden.
Der als vermeintlicher Blockierer eines VW-Autozuges wegen Beihilfe zur Nötigung angeklagte Journalist Pay Numrich ist vom Amtsgericht Wolfsburg freigesprochen worden.
Der wegen Beihilfe zur Nötigung im Zusammenhang mit der Blockade eines VW-Autozuges angeklagte Journalist Pay Numrich ist vom Amtsgericht Wolfsburg freigesprochen worden. Nach Überzeugung des Richters war Numrich, anders als von der Polizei und Staatsanwaltschaft behauptet, nicht an der Aktion beteiligt.
Im August 2019 hatten Aktivist:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung einen Güterzug vor dem Volkswagen-Werk in Wolfsburg mittels Ankett- und Kletteraktionen blockiert, um gegen die Umweltzerstörung durch weitere Autoproduktion aufmerksam zu machen. Eine Polizistin hatte Numrich, der die Aktion als Journalist begleitete, als einen Beteiligten der Blockade identifiziert. In der Folge wurde ein Strafbefehl erlassen. Nach dem Einspruch dagegen wurde heute über den Vorgang verhandelt.
Belastende Ermittlungen aufgrund politischer Gesinnung
Zum Einstieg in den Prozess kritisierte der Angeklagte Pay Numrich die Ermittlungsmethoden der Polizei und der Staatsanwaltschaft, die aufgrund seiner vermuteten politischen Gesinnung lediglich belastend, aber nicht entlastend ermittelt hätten. In der Erklärung ging es auch um die Einschränkung der Pressefreiheit durch Polizeimaßnahmen. „Immer wieder weisen Polizei und Repressionsbehörden ein grundlegendes Defizit im Verständnis von Pressefreiheit auf. Besonders in persönlichen Begegnungen mit dem ‚Freund und Helfer‘ ist es schlecht um die Pressefreiheit bestimmt“, hieß es.
Staatsanwalt droht mit hohen Kosten
Auch im Prozess setzten sich die Einschüchterungsmethoden zunächst fort. Staatsanwalt Reh erklärte, dass wohl ein teurere Sachverständigkeitsgutachten nötig sei, wenn es Zweifel an der Identifizierung gäbe. Er bot erneut eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit an, die von Numrich aber bereits vor dem Verfahren abgelehnt wurde, und drohte, dass das im Falle einer Verurteilung für den Angeklagten „sehr teuer“ werden könnte. Daraufhin beantragte Numrich, gerichtlich feststellen zu lassen, dass er nicht die Person sei, die auf Videos und Fotos als er deklariert worden war. Die Entscheidung über seinen Antrag wurde ans Ende der Beweisaufnahme verschoben. Der Richter erklärte, dass das Gericht die erforderliche Sachkunde selbst besitze und kein teures Gutachten benötige, um festzustellen, dass es sich bei der Person auf dem Foto nicht um Numrich handelt.
Beamtin gleicht Bildmaterial nicht ab
Bei der Vernehmung der Zeug:innen stellte sich dann auch noch heraus, dass die ermittelnde Beamtin zur Identifizierung nicht mal ein Video der Aktion angesehen, sondern lediglich zwei Fotos nebeneinander gehalten hatte. Auch eine weitere Person wurde von der Beamtin nachgewiesenermaßen falsch identifiziert. „Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft immer so ermitteln, steht zu befürchten, dass reihenweise Unschuldige verurteilt werden. Die Ermittlungsergebnisse stehen schon viel zu oft vor Beginn der Ermittlungen fest, so dass nur belastende Indizien gesammelt werden“, kritisiert Numrich die Ermittlungsarbeit. „Auch wenn heute am Ende ein Freispruch stand, wirken Ermittlungen und Strafverfahren selbst schon einschüchternd und schränken somit Meinungs- und Pressefreiheit ein, gerade wenn Ermittlungen aufgrund der vermuteten politischen Gesinnung einer Person weitergeführt werden.“
Vorverurteilungen führten zum Prozess
Am Ende fand die Staatsanwaltschaft im Prozess ein Tattoo auf dem Arm der Person im Video, das beim Angeklagten nicht vorhanden ist, und stellte zu allem Überfluss auch noch fest, dass die Person im Video deutlich kleiner als Numrich ist. Der Behörde blieb nichts anderes übrig, als selbst einen Freispruch zu beantragen. Numrich ist zwar zufrieden. „Aber dass es aufgrund der Vorverurteilungen bei den Ermittlungen zu einem Prozess kam, ist erschreckend“, sagt der Journalist.