„Under Attack“: Ausstellung über Gewalt an Journalist:innen
Die Ausstellung „Under Attack" in Istanbul zeigt anhand von Fotos, wie Journalist:innen in der Türkei bei ihrer Arbeit zur Zielscheibe zunehmender Polizeigewalt geworden sind.
Die Ausstellung „Under Attack" in Istanbul zeigt anhand von Fotos, wie Journalist:innen in der Türkei bei ihrer Arbeit zur Zielscheibe zunehmender Polizeigewalt geworden sind.
Die Ausstellung „Under Attack", die im Istanbuler Literaturhaus Kıraathane eröffnet wurde, zeigt anhand von Fotos, wie Journalist:innen in der Türkei bei ihrer Arbeit zur Zielscheibe zunehmender Polizeigewalt geworden sind. Kuratiert wird die Ausstellung von Mustafa Ünlü, dem Vorsitzenden der unabhängigen Journalistenvereinigung Punto24, der Journalistin Cansu Pişkin von Punto24 und Pelin Sidar Genç vom Literaturhaus Kıraathane Istanbul. Wir sprachen mit der Journalistin Cansu Pişkin über die Ausstellung, die noch bis zum 3. September in Istanbul zu sehen sein wird.
Cansu Pişkin sagt, dass die Ausstellung zunächst als interaktives Video konzipiert wurde und die Angriffe auf Journalist:innen insbesondere nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 zugenommen haben und sichtbarer geworden sind: „Am 10. Januar, dem Tag der arbeitenden Journalisten, haben wir erstmals eine interaktive Videodokumentation unter dem Titel Expression Interrupted erstellt. Wir haben uns dann für diese Ausstellung entschieden, weil insbesondere nach dem 15. Juli die Angriffe auf Journalisten sehr deutlich wurden. Es ist nicht so, dass es sie in der Vergangenheit nicht gegeben hätte, natürlich gab es sie, aber sie waren nicht so sichtbar und so gewalttätig. Wenn die Polizei zum Beispiel bei sozialen Protesten eingriff, dann gegen die Demonstranten, aber jetzt richtet sich der Angriff auch gegen die Journalistinnen und Journalisten, die über die Proteste berichten, und sie haben begonnen, dies unverhohlen zu tun. So wurde beispielsweise der AFP-Fotojournalist Bülent Kılıç von der Polizei in den Nacken gedrückt und zu Boden gezwungen - ein Bild, das noch in aller Munde ist.
Um auf diese Gewalt aufmerksam zu machen, haben wir ein Video vorbereitet, indem wir mit Journalisten und Berufsverbänden gesprochen haben, die über das Thema berichten und ständig mit Polizeigewalt konfrontiert sind. Dann haben wir uns nicht darauf beschränkt, sondern diese Ausstellung konzipiert, um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Da dies unser Job ist, wissen wir, dass sich visuelle Inhalte besser einprägen. Deshalb wollten wir die Gewalt auf diese Weise sichtbar machen."
„Heute prügeln sie, morgen werden sie vielleicht töten“
Cansu Pişkin sagt, dass Angriffe auf Journalist:innen im Nachrichtenfluss untergehen und dass sie versuchen, diese sichtbar zu machen, da die Gewalt von Tag zu Tag zunimmt: „Leider gehen die Angriffe auf Journalisten im Nachrichtenfluss unter. Denn uns allen wurde beigebracht, dass die Journalistinnen und Journalisten selbst nicht das Thema der Nachrichten ist. Es gibt bereits Kritik daran, zum Beispiel, dass über Gewalt gegen Journalisten mehr gesprochen wird als über Proteste, aber eigentlich müssen wir auch darüber sprechen. Denn es gibt bereits eine Straflosigkeit in der Gesellschaft. Solange wir das nicht sehen, solange wir es nicht melden, solange wir es nicht auf die Tagesordnung setzen, wird die Polizei die Dosis weiter erhöhen.
Heute schlagen und prügeln sie, morgen werden sie vielleicht töten. Um das zu verhindern, muss das Recht der Journalisten auf Berichterstattung und der Öffentlichkeit auf Zugang zu Nachrichten verteidigt werden.“
Der Druck kommt von vielen Seiten
Cansu Pişkin weist auf die Angriffe in diesem Bereich sowie auf die Gerichtsverfahren hin. Sie sagt, dass gegen viele Journalist:innen sogar während der Gerichtsferien ermittelt wird: „Bei Punto24 verfolgen wir Fälle zur Presse- und Meinungsfreiheit. Ich kann sagen, dass es selbst in der ruhigsten Woche, in der wir beispielsweise gerade Gerichtsferien haben, immer wieder zu Übergriffen gegen Journalisten kommt, gegen die ermittelt wird oder die festgenommen oder verhaftet werden. Der Druck ist so groß, dass er nicht von einer Stelle, sondern von vielen Stellen ausgeht. Es geht nicht nur um die Dimension der Verhaftung. Sie versuchen zum Beispiel auch, mit finanziellem Druck einzuschüchtern.
Im vergangenen Monat wurden 16 kurdische Journalistinnen und Journalisten festgenommen und acht Tage lang in Gewahrsam gehalten. Was ist der Grund dafür? Eigentlich gibt es keine andere Rechtfertigung als die Nachrichten, über die sie berichten, oder die Organisationen, für die sie arbeiten. Sie werden mit der jeweiligen Institution, für die sie arbeiten, kriminalisiert: ,Wenn du hier arbeitest, bist du ein Terrorist'. Obwohl es keine Beweise gibt, wurden diese Personen nur aufgrund der Organisation, für die sie arbeiten, verhaftet. Ömer Çelik zum Beispiel steht auch in der KCK-Pressesache vor Gericht, und dieser Fall läuft schon seit Jahren.
Nach der von uns geführten Liste befinden sich derzeit insgesamt 67 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis. Die AKP monopolisiert die Medien. Erst versuchte sie, die Medien damit mundtot zu machen, und als das nicht reichte, brachte sie [die Medienaufsichtsbehörde] RTÜK ins Spiel. Als wäre das nicht genug, wurde auch noch politischer Druck ausgeübt. Als das nicht ausreichte, griff sie auf die Justiz zurück, und als das nicht ausreichte, griff sie zur Gewalt. Dieses Übel ist unaufhaltsam. Deshalb müssen wir Journalistinnen und Journalisten gemeinsam gegen solche Eingriffe kämpfen."