Terrorverfahren gegen Journalist:innen beginnt heute

Der Direktor des Vereins für Medien und Recht (MLSA), Veysel Ok, sieht in dem heute in Amed beginnenden Prozess gegen 18 kurdische Medienschaffende einen Versuch, den Journalismus im Allgemeinen zu kriminalisieren. Er ruft zur Solidarität auf.

Heute findet der Prozessauftakt gegen 18 Mitarbeiter:innen kurdischer Medien in Amed (tr. Diyarbakır) statt. 15 der in dem Terrorverfahren angeklagten Journalist:innen sind inhaftiert. Der Direktor des Vereins für Medien und Recht (MLSA), Veysel Ok, hat für seinen Verein die 728 Seiten starke Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakır untersucht und sich gegenüber ANF dazu geäußert.

Ok berichtete, dass es sich bei den meisten Schriftsätzen um Copy-and-Paste-Texte aus ähnlichen Verfahren handelt: „Wenn man die Anklageschrift liest, kann man feststellen, dass es sich bei dem, was eigentlich dort angeklagt wird, um Journalismus handelt. Auf Hunderten von Seiten wird die angebliche KCK-Struktur beschrieben. Es wird die Struktur der KCK, ihr Kulturkomitee, ihr Presseausschuss und so weiter beschrieben, aber nichts davon hat mit Journalismus zu tun. Die gleichen Aussagen finden sich in der Anklageschrift gegen Selahattin Demirtaş und die in Wan angeklagten Journalistinnen und Journalisten. Die Staatsanwälte sehen sich gezwungen, eine solche politische Erklärung abzugeben, nur um eine Verbindung zwischen Journalisten und der Organisation herzustellen. Aber natürlich kann keine konkrete Verbindung zwischen den Journalistinnen und Journalisten und der KCK hergestellt werden.“

Der Vorwurf gegen die Angeklagten lautet, Meldungen für eine Agentur zu produzieren. Dazu führte Ok weiter aus: „Sie werden mit Terrorismus in Verbindung gebracht, weil sie Nachrichten über die kurdische Frage und Rechte, Demonstrationen, kurdischsprachige Sendungen, kurdischsprachige Programme oder einfach nur Nachrichten für eine Agentur produzieren. Auch die Beobachtung und Berichterstattung über Demonstrationen wird mit Terrorismus in Verbindung gebracht. Es geht auch um Posts in den sozialen Medien. Letztendlich geht es darum, dass ein Journalist eine Nachricht schreibt und sie dann teilt. Zum Beispiel, wenn er zu einer Demonstration geht und seine Beobachtungen über die virtuellen Medien veröffentlicht. In dieser Anklageschrift gibt es eigentlich keine Überraschungen. All diese Anschuldigungen und Tatbestände gleichen denen in anderen Verfahren. Die Staatsanwaltschaft will Journalismus mit Terrorismus in Verbindung bringen, legt jedoch keine konkreten Beweise vor.“

Ok beschrieb die Willkür der Anklagen im Zusammenhang mit inkriminierten Interviews mit der Guerillaführung in Qendîl: „Die Anklageschrift stellt auch Reisen nach Qendîl und die Durchführung von Interviews während des Friedensprozesses unter Strafe. Wir wissen, dass diese Journalisten mit Erlaubnis und Genehmigung des Staates gereist sind. Sie reisten mit vom Staat ausgestellten Pässen. Sie haben die geführten Interviews veröffentlicht, und viele Medien haben diese Interviews erhalten und geteilt. Ein 2014 durchgeführtes Interview galt damals nicht als Straftat, wird aber 2023 kriminalisiert. Es werden absurde Fragen zu den Treffen in Qendîl gestellt. Ein Journalist antwortet, dass er ganz offen mit Wissen und Erlaubnis des Staates dorthin gereist sei. Es liegen keine Beweise vor, die eine Festnahme oder gar Inhaftierung dieser Journalistinnen und Journalisten rechtfertigen würden. Tatsächlich ist die Anklage zu schwach, um überhaupt eine Ermittlung gegen sie einzuleiten.

Sie wissen, dass die Anklage zusammenbrechen wird“

Ein Jahr nach der Verhaftung wurde ein Verhandlungstermin angesetzt. Ein Jahr lang wurden diese Journalistinnen und Journalisten nicht vor den Richter gestellt. Sie hatten keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Das ist bewusst geschehen, denn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht wissen, dass die Angeklagten und ihre Rechtsbeistände am Tag des Verfahrens diese Vorwürfe entkräften werden. Sie werden gezwungen sein, eine Entscheidung zur Freilassung zu treffen. Wenn sie das nicht tun, werden sie das Verfahren aufgrund einer politischen Entscheidung verlängern. Ihr Ziel ist es, die Haft zu verlängern, damit die Anklage nicht angezweifelt wird und fallengelassen werden muss. Das ist eine eigene Methode der Bestrafung, die nicht nur bei kurdischen Journalistinnen und Journalisten der Fall ist, sondern in allen politischen Verfahren.

Größtes Verfahren der letzten Zeit“

Dieser Prozess ist sehr wichtig, weil es sich um das größte Verfahren gegen Journalistinnen und Journalisten in jüngster Zeit handeln wird. Diese Journalistinnen und Journalisten werden sich zum ersten Mal verteidigen können. Zum ersten Mal werden sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe widerlegen, und in dieser Hinsicht ist es ein wichtiger Tag. Alle sollten dabei sein, denn das ist wichtig für die Solidarität mit den Journalistinnen und Journalisten. Wenn wir wegen eines in Istanbul verhafteten Journalisten protestieren, sollten wir das auch bei in Diyarbakır verhafteten Journalistinnen und Journalisten tun. Die Richter müssen diese Solidarität spüren und vorsichtiger handeln.“