PEN fordert Aufhebung des Urteils gegen Gulgeş Deryaspî

Der internationale Autorenverband PEN fordert die Aufhebung des Urteils über mehr als sechs Jahre Haft gegen die kurdische Schriftstellerin Gulgeş Deryaspî in der Türkei. Die Entscheidung im Berufungsprozess soll Ende April fallen.

Der internationale Autorenverband PEN fordert die Aufhebung des Urteils über eine langjährige Haftstrafe gegen die kurdische Schriftstellerin Gulgeş Deryaspî. Die 42-jährige Romanautorin wurde im Dezember in Bedlîs (tr. Bitlis) wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Als Beweis waren Fotos von Deryaspî herangezogen worden, die auf pro-demokratischen Demonstrationen entstanden. Die Entscheidung im Berufungsprozess wird für Ende April erwartet. PEN hat nun eine internationale Kampagne für Gulgeş Deryaspî initiiert und ruft zur Solidarität mit der von Haft bedrohten Schriftstellerin auf.

Dutzende kurdische Journalisten im Gefängnis

„Die Situation der Meinungsfreiheit in der Türkei ist nach wie vor katastrophal. Die kurdische Kultur und Sprache werden hart unterdrückt. Die meisten pro-kurdischen und kurdischsprachigen Medien wurden geschlossen, dutzende Journalisten kurdischer oder pro-kurdischer Medien sitzen wegen angeblicher Terrorismusvorwürfe im Gefängnis, darunter der Nachrichtenredakteur, Reporter und Dichter Nedim Türfent. Der Schriftsteller und ehemalige Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtaş, bleibt hinter Gittern, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zweimal auf seine sofortige Freilassung entschieden hat. Die türkischen Behörden ersetzen weiterhin gewaltsam gewählte HDP-Kommunalpolitiker im Südosten und berauben so die Wähler ihrer gewählten Vertreter im Parlament und in der Kommunalverwaltung”, heißt es in der Kampagne.

Ende des „harten Vorgehens” gegen kurdischen Gebiete ebenfalls einfordern

PEN ruft Unterstützende von Deryaspî auf, beim türkischen Justizministerium ein Ende der Verfolgung und Inhaftierung von Medien- und Literaturschaffenden allein aufgrund des Inhalts ihrer Schriften oder ihrer behaupteten Zugehörigkeit zu Organisationen und die Freilassung aller Personen, die wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert sind, einzufordern. Auch die Forderung nach einem Ende des „harten Vorgehens gegen die kurdischen Gebiete” und nach einer friedlichen Lösung des „andauernden Konflikts” solle gestellt werden.

Wer ist Gulgeş Deryaspî?

Gulgeş Deryaspî (bürgerlich Gülgeç Akdeniz) wurde 1978 in einem Dorf in der nordkurdischen Provinz Bedlîs geboren. Sie studierte kurdische Sprache und kurdischsprachige Literatur an der Alparslan-Universität in Mûş. Ihre schriftstellerische Laufbahn begann sie im Alter von 22 Jahren mit Theaterstücken. Lange Jahre erteilte sie Sprachenunterricht beim „Verein zur Erforschung und Entwicklung der kurdischen Sprache” (Kurdî-Der). Das Sprachenzentrum war 2006 gegründet und im Herbst 2016 im Rahmen des Ausnahmezustands per Dekret verboten worden. In Ihren Romanen „Tariya Bi Tav” (Dunkelheit mit Sonnenschein, 2010), „Xezal” (Gazelle, 2013) und „Ez Ne Ezim” (Ich bin nicht, wer ich bin, 2018) thematisiert Gulgeş Deryaspî das Leben von Frauen, patriarchale Gewalt und staatliche Unterdrückung sowie Feminizid.

Mitglied im kurdischen PEN-Zentrum

Am 25. Juli 2019 wurde Gulgeş Deryaspî im Rahmen einer Polizeioperation zusammen mit acht weiteren Personen in Bedlîs festgenommen. Vier Tage später ordnete ein Gericht Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ gegen die Mutter von drei Kindern an. Die erste Anhörung in dem Prozess fand im Februar 2020 statt. Im darauffolgenden Monat konnte Deryaspî das Gefängnis im Zuge der pandemiebedingten „Corona-Amnestie“ verlassen. Weil das im Dezember gefällte Urteil gegen sie noch nicht rechtskräftig ist, musste sie nicht zurück ins Gefängnis. Seit 2013 ist Deryaspî Mitglied des kurdischen PEN-Zentrums.