Repression gegen freie kurdische Presse
Im laufenden „Terror“-Prozess gegen den kurdischen Journalisten Abdurrahman Gök hat sich herausgestellt, dass die Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır (ku. Amed) ein neues Verfahren gegen den 44-Jährigen eingeleitet hat. Worum es dabei geht, ist allerdings unklar. Die 5. Kammer für schwere Straftaten in Amed, wo der Prozess gegen Gök geführt wird, forderte am Dienstag die Akten an und vertagte die Hauptverhandlung auf den 30. Januar 2025.
Abdurrahman Gök, der Nahost-Korrespondent der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) ist, ist wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und „Terrorpropaganda“ angeklagt. Die Anschuldigungen gegen ihn basieren im Wesentlichen auf den Behauptungen eines Kronzeugen der Anklage, der bereits in diversen Prozessen gegen Oppositionelle aufgetreten ist, um in den Genuss des türkischen Reuegesetzes zu kommen – obwohl sich wiederholt herausgestellt hat, dass seine Aussagen erdichtet sind und aus der Feder der Antiterrorpolizei stammen – sowie auf Rezensionen von Büchern, Artikeln über Opfer der türkischen Antiterrorgesetze und einer Videodokumentation über den Kampf gegen den IS in Kobanê. Sollte Gök verurteilt werden, drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.
Der Prozess gegen Gök ist seit 2023 anhängig, der Journalist saß wegen des Verfahrens im vergangenen Jahr rund sechs Monate in Untersuchungshaft. Als er im Dezember aus dem Gefängnis entlassen wurde, ordnete das Gericht eine Ausreisesperre und polizeiliche Meldeauflagen gegen Gök an. Wegen dieser Maßnahmen sei es ihm jedoch nicht möglich, seiner journalistischen Tätigkeit uneingeschränkt nachzugehen, sagte Gök bei der heutigen Verhandlung, die von Vertreter:innen des Journalistenvereins DFG, der Gewerkschaft DISK und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beobachtet wurde, und forderte die Aufhebung der Auflagen.
Das Gericht wies den Antrag ab und begründete dies gegenüber dem aus den Anwälten Resul Temur und Mehmet Emin Aktar bestehenden Verteidigungsteam Göks mit einer angeblichen Fluchtgefahr ihres Mandanten. Darüber hinaus ordnete die Kammer an, dass der anonyme Belastungszeuge „CV23TY45UP78“ nun doch nicht mehr vernommen werden soll. Der bereits mehrfach geladene Zeuge erschien auch an diesem Verhandlungstag wieder nicht vor Gericht. Um den Prozess nicht „unnötig in die Länge zu ziehen“, wolle man auf seine Aussage verzichten. Abgewartet werden für die Fortsetzung des Verfahrens soll aber auch der Ausgang einer am türkischen Kassationshof behandelten Revision des Journalisten gegen ein Urteil über eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen Fotos vom Kampf gegen den IS.
Mord an Kemal Kurkut dokumentiert
Abdurrahman Gök ist Fotoreporter und arbeitet in der Tradition der freien kurdischen Presse. Er ist auch international für seine journalistische Arbeit bekannt, da die Öffentlichkeit nur dank seines Einsatzes erfuhr, dass es sich beim Tod des jungen Kunststudenten Kemal Kurkut, der im März 2017 am Rande der Newroz-Feierlichkeiten in Amed von einem Polizisten erschossen worden war, in Wahrheit um vorsätzlichen Mord handelte. Gök hatte acht Mal auf den Auslöser seiner Kamera gedrückt und dokumentiert, dass die offizielle Version, wonach Kurkut ein „Selbstmordattentäter“ gewesen sei, von der Polizei nur erfunden wurde. Der Todesschütze ist trotzdem freigesprochen worden.