DFG ruft zu Solidarität mit verfolgten Journalist:innen auf

In den nächsten Tagen gehen in Amed die Verfahren gegen Dicle Müftüoğlu und Abdurrahman Gök weiter. Beiden Journalist:innen drohen langjährige Freiheitsstrafen, die NGO DFG ruft zu Solidarität auf.

Freie Presse auf der Anklagebank

In der bevorstehenden Woche werden in Amed (tr. Diyarbakır) die Verfahren gegen die kurdischen Journalist:innen Dicle Müftüoğlu und Abdurrahman Gök fortgesetzt. Beide sind aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit unter „Terrorismus“-Verdacht angeklagt, bei einer Verurteilung drohen ihnen langjährige Freiheitsstrafen. Der Journalistenverein DFG ruft zu Solidarität mit Müftüoğlu und Gök auf. „Nicht unsere Kolleg:innen befinden sich auf der Anklagebank, sondern die freie Presse“, erklärte die in Amed ansässige Organisation am Sonntag.

Dicle Müftüoğlu und Abdurrahman Gök stehen wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen von der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) sowie deren verbotenen Vorgängerinnen im ständigen Fokus der Repression. Beide Journalist:innen werden seit Jahren von der türkischen Justiz verfolgt und saßen bereits im Gefängnis – in allen Fällen war der Vorwurf derselbe: Mitgliedschaft in der als „Terrororganisation“ verfolgten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oder „Propaganda“. Auch in den aktuellen Verfahren geht es um diesen vermeintlichen Verdacht.

Abdurrahman Gök in Kobanê | Foto: privat

Die Anklage gegen Gök, der Nahost-Korrespondent von MA ist, wurde zwar von der Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır verfasst – jedoch auf Anweisung des türkischen Innenministeriums. Die Anschuldigung gegen den 44-Jährigen basiert im Wesentlichen auf den Behauptungen von Ümit Akbıyık – ein früherer HDP-Aktivist, der sich, um vom türkischen Reuegesetz zu profitieren, als Kronzeuge der sogenannten Antiterrorpolizei betätigt und bereits in diversen Prozessen gegen Oppositionelle aufgetreten ist – der vorgibt, Gök würde „auf Anweisung des Pressekomitees der PKK/KCK“ arbeiten. Mit KCK ist die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans gemeint, die als Dachverband der kurdischen Bewegung fungiert und dem auch die PKK angehört.

Als Beweismittel gegen Gök dienen außerdem Rezensionen von Büchern, etwa „Devran“ und „Leylan“ aus der Feder des inhaftierten ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş, Artikel über Opfer der türkischen Antiterrorgesetze und eine Videodokumentation über den Kampf gegen den IS in Kobanê. Der Prozess ist seit 2023 anhängig, Gök saß wegen des Verfahrens im vergangenen Jahr rund sechs Monate in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu 20 Jahre Haft gegen ihn. Der Prozess wird am Dienstag (22. Oktober) fortgesetzt.

Dicle Müftüoğlu | Foto: privat

Dicle Müftüoğlu, die als Redakteurin für MA arbeitet und darüber hinaus die Ko-Vorsitzende der NGO DFG ist, könnte mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden, sollte es zu einer Verurteilung kommen. Die 40-Jährige war im vergangenen Jahr am 3. Mai, dem internationalen Tag der Pressefreiheit, wegen des Verdachts der Gründung und Leitung einer Terrororganisation sowie angeblicher Mitgliedschaft in Ankara verhaftet worden, nachdem sie auf Betreiben der Staatsanwaltschaft Diyarbakır mehrere Tage in Polizeigewahrsam war. Danach befand sie sich knapp zehn Monate im Frauengefängnis Sincan nahe Ankara in Untersuchungshaft. Ähnlich wie bei ihrem Kollegen Gök stützt sich die Anklage bei ihren Vorwürfen gegen Müftüoğlu hauptsächlich auf Aussagen von Belastungszeugen, auf die auch in anderen Prozessen gegen kurdische Presseleute oder auch in dem als Kobanê-Verfahren bekannten politischen Schauprozess gegen die HDP zurückgegriffen wurde.

Einer von ihnen ist der „anonyme Zeuge „K8Ç4B3L1T5“, der in einem anderen Verfahren gegen kurdische Medienschaffende angegeben hatte, als staatlicher Agent bei der Nachrichtenagentur Mezopotamya tätig gewesen zu sein. Bei der Hauptverhandlung im Februar hatte der Zeuge angegeben, die Angeklagte hätte „von weiblichen Pressevertreterinnen Artikel über wichtige Tage der Organisation“ (PKK) gefordert und sich an Treffen von Frauenorganisationen beteiligt, die eine „Nähe zu terroristischen Vereinigungen“ aufwiesen. Daher gehe er davon aus, Müftüoğlu sei „ranghohes Mitglied der Organisation“, ganz sicher sei er sich aber nicht. Fragen, die von der Verteidigung der Journalistin an ihn gestellt wurden – etwa zum Ort der vorgegebenen Treffen Müftüoğlus mit Frauenorganisationen oder Anweisungen, die sie angeblich „zugunsten der Organisation“ erteilt hätte, beantwortete K8Ç4B3L1T5 damals mit „Ich kann mich nicht erinnern“. Der Prozess gegen Müftüoğlu geht am Donnerstag (24. Oktober) weiter.

DFG: Kreuzzug gegen kurdische Presse

Der DFG geht davon aus, dass die Anschuldigungen gegen Dicle Müftüoğlu und Abdurrahman Gök im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die freie kurdische Presse stehen. Zwar seien alle unabhängigen Medienschaffenden in der Türkei im Visier einer politisierten Justiz, um sie zum Schweigen zu bringen. „Doch über Journalistinnen und Journalisten kurdischer Medien, die der Wahrheit nachgehen, schwebt das Damoklesschwert Gefängnis noch tiefer“, betonte die NGO. Gegen sie werde ein regelrechter Kreuzzug geführt, um sie an den Rand des Aussterbens zu bringen. „Das lassen wir nicht zu und rufen zu Solidarität mit unseren Kolleginnen und Kollegen auf.“