Die staatliche Repressionswelle über die kurdische Presse in der Türkei rollt weiter. Gegen die Ko-Vorsitzende des Journalistenvereins Dicle-Firat (DFG), Dicle Müftüoğlu, ist in Amed (tr. Diyarbakır) ein neues Ermittlungsverfahren wegen Terrorpropaganda eingeleitet worden. Der Journalistin, die als Redakteurin für die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) arbeitet, werden Einträge in den sogenannten sozialen Medien vorgeworfen. Dabei handelt es sich um ihre eigenen Berichte.
Am Mittwoch begab sich Müftüoğlu in Begleitung ihres Rechtsbeistands in das Polizeipräsidium Diyarbakır, wo sie als Beschuldigte vernommen wurde. Ob Anklage gegen die Journalistin erhoben wird, ist noch unklar. Müftüoğlu war erst Anfang Dezember wegen eines 2014 in den Online-Netzwerken geteilten Fotos vom Kampf um Kobanê zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zum damaligen Zeitpunkt war sie Chefredakteurin der inzwischen verbotenen Nachrichtenagentur DIHA.
Dicle Müftüoğlu im Dezember 2020 im Justizpalast Diyarbakır
Anklage wegen unliebsamer Berichterstattung
Auch der MA-Chefredakteur Ferhat Çelik ist wieder im Visier der Strafverfolungsbehörden des türkischen Regimes. Am 2. Februar soll sich der kurdische Journalist vor einem Gericht in Istanbul wegen seiner Berichterstattung zu den menschenverachtenden Zuständen im M-Typ-Gefängnis der nordostanatolischen Provinz Bayburt verantworten. Konkret geht es um einen am 4. Oktober 2018 bei MA erschienenen Artikel über Insekten in der Nahrung von politischen Gefangenen. Verklagt wurde Çelik von der Leitung der Strafvollzugsanstalt.
Ferhat Çelik
Wie in anderen Vollzugsanstalten in der Türkei beklagen auch die politischen Gefangenen im Hochsicherheitsgefängnis von Bayburt seit Jahren Gewalt, Verweigerung von Grundbedürfnissen und militärischem Drill. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben sich die Haftbedingungen dramatisch verschlechtert. Im Dezember war bekannt geworden, dass gegen weibliche Gefangene Ermittlung von der Gefängnisleitung wegen „Tanzen und Singen in einer unverständlichen Sprache“ eingeleitet worden sind. Die betroffenen Frauen waren daraufhin wegen „Tanzen und des Rufens von Parolen“ mit einer Kommunikationssperre belegt worden.