Journalist Aziz Oruç ruft zu Solidarität auf

Erstmals seit seiner Festnahme in der Türkei konnte sich Aziz Oruç über das ganze Ausmaß seiner Erlebnisse äußern. Der kurdische Journalist hatte in Armenien um politisches Asyl gebeten und war daraufhin an den Iran ausgeliefert worden.

Vor vier Tagen wurde der kurdische Journalist Aziz Oruç in Bazîd (Doğubayazıt) in der nordkurdischen Provinz Agirî (Ağrı) festgenommen. Er hatte versucht, vom Iran aus über Armenien nach Europa zu gelangen, um politisches Asyl zu beantragen. An der armenisch-iranischen Grenze wurde er festgenommen und gefoltert. Ein daraufhin aus der Not heraus gestelltes Asylgesuch wurde erst gar nicht an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Stattdessen übergab man Oruç an iranische Sicherheitskräfte. Nach einer weiteren Festnahme auf iranischer Seite der Grenze, erneuter Folter und einer Geldstrafe wurde Oruç schließlich barfuß im türkischen Grenzgebiet ausgesetzt. Dort gelang es ihm, Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) zu erreichen und um Hilfe zu bitten. Daraufhin begaben sich die von der HDP verständigten Lokalpolitiker Abdullah Ekelek und Muhammet Ikram Müftüoğlu zu dem Ort, den Aziz Oruç inzwischen halb erfroren erreicht hatte. Als sie am Straßenrand auf ein Taxi warteten, das Oruç zu seiner Familie bringen sollte, wurden sie plötzlich zu Boden geworfen und mit auf dem Rücken gefesselten Händen von der türkischen Polizei festgenommen. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich Aziz Oruç in Gewahrsam. Erst gestern konnte er erstmals Besuch von seinen Anwälten empfangen und das ganze Ausmaß seiner Erlebnisse schildern. Ekelek und Müftüoğlu sitzen unterdessen im Gefängnis. Gegen sie wurde Untersuchungshaft wegen Terrorismusvorwürfen angeordnet.

Aziz Oruç reiste am 8. Dezember aus der südkurdischen Stadt Silêmanî in den Iran. Bei dem Versuch, am Grenzübertritt nach Armenien zu gelangen, wurde er von der armenischen Polizei festgesetzt. „Unter dem Vorwand, mein Reisepass sei gefälscht, bin ich festgenommen worden. Anschließend wurde ich über mehrere Stunden in einem Raum isoliert. Man hat mir gedroht und mich körperlicher Gewalt ausgesetzt. Ich erklärte, dass ich Journalist bin und aufgrund einer in der Türkei gegen mich verhängten Haftstrafe nach Europa gehen möchte. Außerdem erbat ich um politisches Asyl in Armenien. Auf meine Bitten reagierte man allerdings mit Drohgebärden. Man legte mir Handschellen an und drohte mit einer Überstellung an den Iran, damit ich dort ‚gehängt‘ werde. Danach übergab man mich dem iranischen Geheimdienst. Nach zweitägigem Gewahrsam wurde ich vor ein iranisches Gericht gestellt. Dieses verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 1,8 Millionen iranischer Rial und ordnete meine Abschiebung an.“

Dem sicheren Tod ausgeliefert

Nach dieser Entscheidung wurde Oruç nicht an die Türkei übergeben, sondern etwa einen Kilometer vom Grenzübergang entfernt ausgesetzt. Er berichtet: „Mitten in der Nacht wurde ich im türkisch-iranischen Grenzgebiet auf die Straße gesetzt. Sie wollten, dass ich über den Stacheldrahtzaun klettere und illegal die Türkei betrete. Trotz Protesten meinerseits haben sie mich über den Grenzzaun geworfen. Mehrmals bin ich auf iranisches Staatsgebiet zurückgeklettert, um offiziell die Grenze zur Türkei zu passieren. Dabei zog ich mir Verletzungen zu. Aber mein Wunsch wurde mir verwehrt. Man hat mich stattdessen dem sicheren Tod ausgeliefert. Daraufhin ging ich nach Bazîd.“ Die Anwälte von Oruç bereiten sich momentan auf rechtliche Schritte gegen Iran und Armenien vor, da die Sicherheitskräfte beider Länder gegen das Asylrecht ihres Mandanten verstoßen haben.

Jetzt mehr denn je Solidarität mit Aziz Oruç

Eine Botschaft, die Oruç, der in den AKP-nahen Medien auf Betreiben des türkischen Innenministeriums als Terrorist bezeichnet wird, über seinen Rechtsbeistand an die Öffentlichkeit tragen konnte, lautet: „Als Journalist habe ich jahrelang versucht, den Völkern eine Stimme zu sein. Nach erschwerten Isolationsbedingungen in Armenien und dem Iran geschieht mit dasselbe nun in der Türkei. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich mehr denn je die Solidarität der Menschen brauche. In der Hoffnung, dass wir uns in einer freien Zukunft sehen können.“