54 internationale Presseorganisationen fordern am 2000. Tag der Inhaftierung die bedingungslose Freilassung des Journalisten Nedim Türfent. Der kurdische Journalist befindet sich aufgrund seiner Artikel für die inzwischen verbotene Nachrichtenagentur DIHA seit über fünf Jahren wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ in türkischer Haft.
„Die 2000 Tage Haft sind ein Symbol der Ungerechtigkeit in diesem Land“
Der Appell ist mit einem Zitat aus einem Brief Türfents aus dem Gefängnis überschrieben: „Es gibt so viele Ungerechtigkeiten in unserem Land, dass ich zögere, mich an solchen Tagen zu äußern. Andererseits ist es einfacher, Ungerechtigkeiten, Rechtswidrigkeiten und Unrecht durch bekannte Beispiele zu beleuchten. Deshalb sehe ich meine 2000 Tage Haft als ein Symbol für die größere Ungerechtigkeit in diesem Land. Nicht nur für meine eigene Situation, sondern auch für alle Gefangenen, die wegen ihrer Meinung und ihres Rechts, sich politisch zu engagieren, ihrer Freiheit beraubt wurden, ist eine gewisse Sensibilität unerlässlich. Anlässlich dieses Tages rufe ich alle nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen auf, sich mit all jenen zu solidarisieren, die wegen ihrer Gedanken, Worte und Identitäten inhaftiert sind.“
„In unfairem Prozess inhaftiert“
Der Appell lautet: „54 Organisationen fordern die türkischen Behörden erneut auf, den Nachrichtenredakteur, Reporter und Dichter Nedim Türfent unverzüglich und bedingungslos freizulassen und seine Verurteilung aufzuheben. Heute ist es 2000 Tage her, dass er verhaftet und nach einem unfairen Prozess, bei dem zahlreiche Zeugen nach eigenen Angaben gefoltert wurden, damit sie gegen ihn aussagen, wegen angeblicher Terrorismusvorwürfe zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde.
„Zwei Jahre in Isolationshaft und erschütternden Haftbedingungen“
Nedim Türfent, ein Nachrichtenredakteur und Reporter der inzwischen geschlossenen pro-kurdischen Dicle News Agency (DIHA) wurde am 12. Mai 2016 festgenommen, kurz nachdem er über die Misshandlung kurdischer Arbeiter durch türkische Spezialeinheiten der Polizei berichtet hatte. Kurz nach der Veröffentlichung seines Videomaterials erhielt Türfent Morddrohungen von der Polizei und wurde zur Zielscheibe einer Online-Mobbing-Kampagne. Einen Tag nach seiner Verhaftung wurde er formell wegen ‚Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung‘ angeklagt; die Anklageschrift wurde erst zehn Monate später vorgelegt. Er verbrachte fast zwei Jahre in Isolationshaft unter erschütternden Haftbedingungen."
„Die PEN-Gemeinschaft steht an der Seite von Nedim Türfent“
„Der heutige Tag ist ein weiterer schmerzhafter Meilenstein in der Geschichte des groben Justizirrtums von Nedim Türfent. Dass er nun 2000 Tage hinter Gittern verbracht hat, nur weil er seine Arbeit gemacht hat, ist kaum zu glauben. Als ersten Schritt zur Wiedergutmachung dieser Ungerechtigkeit müssen die türkischen Behörden ihn sofort und bedingungslos freilassen und seine Verurteilung dringend aufheben. Türfents Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist nach fast drei Jahren immer noch anhängig, und wir vertrauen darauf, dass der Gerichtshof dem Fall Priorität einräumen wird. Die PEN-Gemeinschaft steht einmal mehr an der Seite von Türfent und allen in der Türkei zu Unrecht inhaftierten Schriftstellern und Journalisten und wird sich weiterhin für ihre Freiheit einsetzen bis jeder einzelne von ihnen freigelassen wird", erklärt Ma Thida, Vorsitzende des Writers in Prison Committee von PEN International.
„19 von 20 Belastungszeugen zogen unter Folter erpresste Aussagen zurück"
In dem Appell heißt es weiter: „In der Anklageschrift wurden unter anderem Türfents Posts in den sozialen Medien, seine Berichterstattung in den Nachrichten und 20 verdeckte Zeugenaussagen als Gründe angeführt. Seine erste Anhörung fand am 14. Juni 2017 in Hakkari statt, etwa 200 Kilometer von Van entfernt, wo er inhaftiert war. Ihm wurde sieben Mal das Recht verweigert, persönlich vor Gericht zu erscheinen, und er sagte stattdessen über das gerichtliche Konferenzsystem SEGBİS aus, wobei es zu erheblichen Verbindungs- und Übersetzungsproblemen kam. Von den 20 geladenen Zeugen zogen 19 ihre Aussagen zurück und erklärten, sie seien unter Folter erpresst worden."
Renan Akyavaş, IPI Turkey Programme Coordinator, erklärt dazu: „Heute erreichen wir einen weiteren Meilenstein der endlosen Ungerechtigkeit für Nedim, der für seinen Mut als Reporter bestraft wurde. Nedim hat 2000 Tage hinter Gittern verbracht und auf seine Freiheit gewartet. 2000 Tage, die er nie hätte verlieren dürfen und die er nie wieder erlangen kann. Hunderte weiterer Journalisten wurden in ähnlicher Weise von einer Justiz verfolgt, die mit Waffengewalt Andersdenkende zum Schweigen bringen will. Wir haben das Verfassungsgericht bereits zweimal gebeten, Nedims Berufung Priorität einzuräumen, um dieser groben Rechtsverletzung ein schnelles Ende zu setzen. Wir vertrauen darauf, dass sie dieses Mal handeln werden."
„Zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt“
In dem Appell wird festgestellt: „Trotz dieser eindeutigen Beweise für eklatante Verstöße, auch gegen sein Recht auf ein faires Verfahren, wurde Türfent am 15. Dezember 2017 wegen ‚Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung‘ und ‚Verbreitung terroristischer Propaganda‘ zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Urteil wurde am 9. Mai 2020 vom Kassationsgerichtshof bestätigt. Seine Klage vor dem Verfassungsgericht ist mehr als drei Jahre nach ihrer Einreichung immer noch anhängig. Seine Anwälte haben am 5. Februar 2019 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingelegt."
„Nedim wurde für seinen Journalismus, der eigentlich hätte ausgezeichnet werden müssen, bestraft. Die Ungerechtigkeiten, denen Nedim ausgesetzt ist, sind Ungerechtigkeiten, denen die Mehrheit der kurdischen Journalisten in der Türkei ausgesetzt ist. Deshalb rufen wir alle Personen und Institutionen, die sich aufrichtig für die Meinungsfreiheit einsetzen, dazu auf, sich an die Seite von Nedim zu stellen", so Mümtaz Murat Kök, Koordinator für Projekte und Kommunikation der Media and Law Studies Association (MLSA).
54 unterzeichnende Organisationen
Die Unterzeichner:innen sind: „International Press Institute / Uluslararası Basın Enstitüsü (IPI), Media and Law Studies Association / Medya ve Hukuk Çalışmaları Derneği (MLSA), PEN International Albanian PEN, ARTICLE 19, Articolo 21, Association of European Journalists (AEJ), Cartoonists Rights Network International (CRNI), Croatian PEN, Committee to Protect Journalists, Danish PEN, English PEN, European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF), European Federation of Journalists (EFJ), French PEN, German PEN, Human Rights Association (HRA)/ İnsan Hakları Derneği (IHD), IFEX, Index on Censorship, Initiative for Freedom of Expression/ Düşünçe Suçu?!na Karşı Girişim, Irish PEN/PEN na hÉireann, Kurdish PEN, Montenegrin PEN Center, OBC Transeuropa (OBCT), PEN America, PEN Bangladesh, PEN Belgium (French-speaking), PEN Centre of Bosnia & Herzegovina, PEN Esperanto, PEN Estonia, PEN Georgia, ÜEN Iraq, PEN Latvia, PEN Malta, PEN Melbourne, PEN Moscow, PEN Netherlands, PEN Norway, PEN Portugal, PEN Québec, PEN Romania, PEN Trieste, PEN Turkey, PEN Suisse Romand, Perth PEN Centre, Russian PEN, San Miguel de Allende PEN, Slovene PEN, South East Europe Media Organisation (SEEMO), St Petersburg PEN, Swedish PEN, Turkey Human Rights Litigation Support Project/Türkiye İnsan Hakları Davalarına Destek Projesi, Vietnamese Abroad PEN centre, Wales PEN Cymru.