Hüseyin Kalkan: Die Wahrheit ist beharrlich

Aufgrund der fortgesetzten Verletzung der Pressefreiheit verliert die Türkei auf internationaler Ebene weiter an Ansehen, erklärt der Zeitungsherausgeber Hüseyin Kalkan. Große Hoffnung in die angekündigte Justizreform hat er nicht.

Am 28. Juni ist das Urteil im Prozess gegen 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in der Türkei verbotenen Tageszeitung Özgürlükçü Demokrasi gefallen. Das 23. Schwurgericht in Istanbul verurteilte die Journalist*innen Hicran Urun, Reyhan Hacıoğlu und Ishak Yasul wegen „Terrorunterstützung“ zu jeweils drei Jahren und eineinhalb Monaten Haftstrafe, Yasul soll zudem wegen dem Vorwurf der „Terrorpropaganda“ für weitere eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Der Journalist Mehmet Ali Çelebi wurde zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

In derselben Woche hat außerdem die zweite Hauptverhandlung im Prozess gegen Beritan Canözer in Amed (Diyarbakir) stattgefunden. Der Journalistin von der Frauennachrichtenagentur JinNews wird Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ vorgeworfen. Ihr droht eine Freiheitsstrafe zwischen sieben und 15 Jahren.

Die Repression gegen kurdische Journalist*innen und ihre Medienorgane dauert seit den 1990er Jahren ungebrochen an. Hunderte Medienschaffende sind aus fadenscheinigen Gründen angeklagt, laut einer aktuellen Statistik befinden sich 154 Journalistinnen und Journalisten in türkischen Gefängnissen. Zu der Repression gegen die kurdischen Medien in der Türkei hat sich Hüseyin Kalkan, der Herausgeber der Tageszeitung Yeni Yaşam (Neues Leben), gegenüber ANF geäußert.

Jeder Schritt kurdischer Journalisten wird überwacht

Die Repression gegen die Presse in der Türkei betrifft hauptsächlich die kurdischen Medien, erklärt Kalkan und verweist auf die inhaftierten Journalisten und die zahlreichen verbotenen Zeitungen, Radio- und TV-Sender. Jeder Schritt kurdischer Journalisten werde staatlich überwacht und im Ergebnis werde ihnen ihre journalistische Tätigkeit zur Last gelegt: „Zum Beispiel wurde ein Kollege daran gehindert, aus dem Rathaus in Mêrdîn (Mardin) zu berichten. Gegen kurdische Journalisten sind Massenprozesse angestrengt worden, so beispielsweise der Prozess gegen die Zeitung Özgür Gündem und danach gegen die Özgürlükçü Demokrasi. Wegen diesem Prozess sind immer noch Kolleginnen und Kollegen im Gefängnis.“

Keine Hoffnung in die Justizreform

„Solange die Repression gegen kurdische Medien andauert und sie an der Berichterstattung gehindert werden, kann nicht von Pressefreiheit in der Türkei gesprochen werden“, sagt der Zeitungsherausgeber Hüseyin Kalkan. Zu der angekündigten Justizreform meint er: „Es werden Schritte gesetzt, um die Beziehungen zur EU wieder auf den Weg zu bringen. Die AKP-Regierung äußert sich in diese Richtung und in der kommenden Zeit wird diese Frage ins Parlament eingebracht werden. Mit dem Justizreformpaket wird angekündigt, dass die Presse- und Informationsfreiheit künftig gewahrt werden soll. Das werden wir in der kommenden Zeit sehen, aber die aktuelle Situation gibt keinen Anlass zu großer Hoffnung.“

Abwertung der Türkei durch Journalistenprozesse

Auf die Frage, ob durch die fortgesetzte Repression der Beruf des Journalismus abgewertet werden soll, antwortet Kalkan: „Selbst wenn der Staat dieses Ziel verfolgt, kommt ein anderes Ergebnis dabei heraus. Im Gegenteil, der Staat entwertet sich selbst mit der Verletzung der Pressefreiheit und der großen Anzahl inhaftierter Journalisten. Das haben wir sowohl im Inland bei den letzten Wahlen gesehen als auch auf internationaler Arena. Die Vertreter und Diplomaten des türkischen Staates werden überall danach gefragt, warum Journalisten ins Gefängnis gesteckt werden und die Pressefreiheit eingeschränkt wird. Und darauf finden sie keine Antwort. Seit den neunziger Jahren wird behauptet, dass Journalisten nicht wegen ihres Berufes, sondern wegen Terrorvorwürfen inhaftiert sind.“

Die Türkei muss sich endlich demokratisieren

Ohne eine Lösung der kurdischen Frage lässt sich auch das Demokratiedefizit in der Türkei nicht beheben, sagt Kalkan und fordert gesetzliche Garantien: „Ansonsten kann in der Türkei keine Demokratisierung stattfinden, in keinem Bereich. Die Wahrheit ist beharrlich, eines Tages kommt sie ans Licht. Wir leben im Internet-Zeitalter, es gibt viel mehr Informationskanäle als früher. Die Wahrheit lässt sich nicht über Verbote oder irgendwelche Gesetze verheimlichen. Die Türkei muss sich endlich demokratisieren.“