Vor genau zehn Jahren wurde der kurdische Journalist Serdeşt Osman vor dem Gelände der Salahaddin-Universität in Hewlêr (Erbil) vor den Augen des Sicherheitspersonals und anwesenden Polizisten entführt. Unbekannte zerrten Osman, der am College of Arts im letzten Jahr Anglistik studierte und gerade aus einem Fahrzeug ausgestiegen war, in einen weißen Kleinbus, dessen Nummernschild zuvor unkenntlich gemacht wurde. Zwei Tage später tauchte die mit Folterspuren übersäte Leiche des 22-Jährigen in Mosul auf. Der Journalist war mit Kopfschüssen exekutiert worden, seine Hände waren mit Handschellen gefesselt.
Auch zehn Jahre nach dem Mord an Serdeşt Osman ist noch vieles unklar – und vor allem sind die wahren Täter noch immer nicht benannt oder verurteilt worden. Osman galt als Kritiker der PDK-geführten Regierung in Südkurdistan und schrieb regelmäßig über die Korruption und autoritäre Strukturen, die in Hewlêr florieren. Zuletzt hatte er einen satirischen Artikel („Ich bin verliebt in Barzanis Tochter“) über die Vetternwirtschaft im Hause Barzanî verfasst, die damals immer sichtbarer wurde. Daraufhin erhielt er Morddrohungen, in denen er aufgefordert wurde, Berichte über Regierungspolitiker und Sicherheitsbeamte einzustellen. Anzeigen, die Osman gegen Unbekannt erstattete, wurden von den Behörden nicht ernstgenommen. Der Polizeipräsident von Hewlêr ließ sie sogar medial ausschlachten.
Anlässlich des zehnten Todestages von Serdeşt Osman fanden in Südkurdistan viele kleine Gedenkveranstaltungen im kleinen Kreis statt, denn Trauerfeiern im öffentlichen Raum sind vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der in der Region gültigen Ausgangssperre nicht erlaubt. Die Angehörigen von Osman sowie Freund*innen und Kolleg*innen bekräftigten ihre Forderung, den Mord aufzuklären: „Auch wenn zehn Jahre seit dem Mord an Serdeşt vergangenen sind, bestehen wir nach wie vor darauf, seine Rechte zu wahren. Wir wollen, dass die wahren Mörder vor Gericht gestellt werden“, sagte Başdar Osman, ein Bruder des getöteten Journalisten.
Nach der Ermordung Serdeşt Osmans kam es in vielen Städten Südkurdistans zu Massendemonstrationen. Die Menschen protestieren gegen die Ignoranz der Sicherheits- und Justizbehörden dem Fall gegenüber und übten scharfe Kritik an einigen Staatsanwälten und Richtern, die Osman posthum verspotteten. Im September 2010 ließ die PDK-geführte Regierung verlauten, der Journalist sei von der radikal-islamistischen Miliz „Ansar al-Islam“ entführt und getötet worden. Beweise gab es nicht. Die Familie des Journalisten und Menschenrechtsorganisationen sowie NGOs, die sich für Presse- und Informationsfreiheit einsetzen, wiesen diese Behauptungen als unglaubwürdig zurück.