Freie Meinungsäußerung: Türkei von EGMR verurteilt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei im Fall der verbotenen pro-kurdischen Zeitung „Ülkede Özgür Gündem“ verurteilt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei im Fall der pro-kurdischen Tageszeitung „Ülkede Özgür Gündem“ verurteilt. Die Zeitung, eine Nachfolgerin von „Özgür Gündem“, war zweieinhalb Jahre nach Publikationsbeginn am 16. November 2006 verboten worden, den Eigentümer Ali Gürbüz hatte die türkische Justiz mit Strafprozessen überzogen. Obwohl er letztlich freigesprochen worden sei, habe der Beschwerdeführer sich aus Angst vor einer Verurteilung unweigerlich selbst zensiert, teilte der EGMR mit. Damit habe die Türkei gegen Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verstoßen. Der türkische Staat muss Gürbüz nun 3.500 Euro Entschädigung zahlen. Das Urteil kann jedoch noch innerhalb von drei Monaten angefochten werden.

Gürbüz lebt mittlerweile in Deutschland. In „Ülkede Özgür Gündem“ kamen mehrfach Repräsentanten von Organisationen zu Wort, die die Türkei als Terrororganisationen einstuft. Gegen Gürbüz wurden daher sieben Strafverfahren eingeleitet - ungeachtet des Inhalts der Artikel, wie das Straßburger Gericht in seinem Urteil betont. Es habe sich um unbedeutende Nachrichten wie Weihnachtswünsche gehandelt und nicht etwa um Aufrufe zu Gewalt. Automatisch eingeleitete Zwangsmaßnahmen gegen Medienschaffende seien unvereinbar mit dem Recht der Öffentlichkeit, informiert zu werden.

„Özgür Gündem” und ihre Vorgängerzeitungen waren schon in den 1990er Jahren zahlreichen Erscheinungsverboten und drakonischen Geldstrafen ausgesetzt. Zudem wurden in jenen Jahren viele Journalisten und Zusteller der Zeitung von Todesschwadronen des „Tiefen Staates“ der Türkei auf offener Straße hingerichtet. Im Dezember 1994 wurden außerdem die Redaktionsräume der Tageszeitung „Özgür Ülke“, ebenfalls einer Vorgängerzeitung von Özgür Gündem, bombardiert. Der Grund für die Härte, mit der der türkische Staat gegen die Tageszeitung vorging, lag daran, dass Özgür Gündem als einziges Blatt schwer­punktmäßig über den Krieg in Kurdistan berichtete. Auch unter der Regierungszeit der AKP sind zahlreiche kurdische Journalist*innen festgenommen und inhaftiert worden.