Facebook: Profitinteresse führte zu Blockade von YPG
Spitzenmanager von Facebook entschlossen sich während der Efrîn-Invasion, die Seite der YPG zu schließen. Dies ergibt eine investigative Recherche von Propublica.
Spitzenmanager von Facebook entschlossen sich während der Efrîn-Invasion, die Seite der YPG zu schließen. Dies ergibt eine investigative Recherche von Propublica.
Das Investigativportal Propublica veröffentlichte brisantes Material zur Kollaboration von Facebook mit dem AKP/MHP-Regime. Während des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der Türkei auf Efrîn beschloss Facebook, die Seite der Volksverteidigungseinheiten (YPG) für die Türkei zu blockieren. Dahinter standen entsprechende Forderungen des Regimes.
Facebook – Meinungsfreiheit nur, wenn es Profitinteressen entspricht
Wie die Recherche der Journalisten Jack Gillum und Justin Elliott zeigt, endet die durch Werbung suggerierte Verteidigung der Meinungsfreiheit durch Facebook beim Profitinteresse des Konzerns. Öffentlich hat Facebook unterstrichen, dass es die freie Meinungsäußerung schütze: „Wir glauben, dass die freie Meinungsäußerung ein grundlegendes Menschenrecht ist, und wir arbeiten hart daran, diese Werte auf der ganzen Welt zu schützen und zu verteidigen“, schrieb das Unternehmen letzten Monat in einem Blog-Post über ein neues türkisches Gesetz, das eine legale Präsenz von Social-Media-Firmen im Land vorschreibt. „Mehr als die Hälfte der Menschen in der Türkei verlassen sich auf Facebook, um mit ihren Freunden und ihrer Familie in Kontakt zu bleiben, ihre Meinung zu äußern und ihre Geschäfte auszubauen“, heißt es weiter in dem Werbetext.
„YPG-Seite hat uns PR-Probleme bereitet“
Aber hinter den Kulissen im Jahr 2018, inmitten des türkischen Angriffskriegs, stellte sich Facebook an die Seite des türkischen Regimes. Die Überlegungen, so zeigt die Investigativrecherche, drehten sich um die Aufrechterhaltung des Betriebs der Plattform, nicht um die Menschenrechte. „Die Seite hat uns in der Vergangenheit ein paar PR-Probleme beschert", warnte ein Facebook-Manager vor der YPG-Seite.
Die türkische Kommunikationsbehörde beschwerte sich direkt bei Facebook. Daraufhin forderte den Recherchen zufolge Mark Smith, ein in Großbritannien ansässiger Policy Manager, in einem Schreiben an Joel Kaplan, Facebooks Vice President of Global Public Policy „vorsichtig mit dem Material zu sein, das gepostet wird, insbesondere mit Fotos von Verwundeten“. Weiter heißt es über das Gespräch: „Er betonte auch, dass die Regierung uns bitten könnte, ganze Seiten und Profile zu blockieren, wenn sie zu einem Brennpunkt für das Teilen illegaler Inhalte werden.“
Geo-Blocking gegen YPG
Die Lösung des Unternehmens war das „Geo-Blocking“, also das selektive Verbot für Nutzer in einer Region, bestimmte Inhalte zu sehen, sollten die Drohungen der türkischen Behörden eskalieren. Facebook hatte diese Praxis bisher vermieden, obwohl sie für Regime wie in der Türkei immer wichtiger geworden ist, um Proteste zu verbergen.
Facebook bestätigte gegenüber ProPublica, dass es die Entscheidung getroffen hat, die Seite, auf eine rechtliche Anordnung der Türkei in dem Land einzuschränken - und nachdem klar wurde, dass das Versäumnis, dies zu tun, dazu geführt hätte, dass Facebook dort vollständig abgeschaltet worden wäre.
Zu den Inhalten, die die Türkei als anstößig erachtete, gehörten laut internen E-Mails Fotos auf dem ebenfalls zu Facebook gehörigen Portal Instagram, auf denen „verwundete YPG-Kämpfer, türkische Soldaten und möglicherweise Zivilisten“ abgebildet seien. Die YPG kritisierten die Zensur scharf: „Die Stimme der Demokratie wird zum Schweigen gebracht: Angesichts der Invasion in Efrîn gibt es schwere Cyberangriffe auf die YPG.“
Facebook betrachtete die Seite der YPG mindestens seit 2015 als „politisch sensibel“. Nervöse Kommunikation folgte, als das türkische Regime entdeckte, dass die YPG-Seite mit einem blauen Häkchen als „verifiziert“ markiert worden war. Das wiederum „führte zu einer negativen Berichterstattung in den türkischen regierungsnahen Medien“, schrieb eine Führungskraft des Konzerns. Allerdings, als Facebook das Häkchen entfernte, führte dies wiederum zu „negativer Berichterstattung [in] englischsprachigen Medien, einschließlich der Huffington Post“, beklagen die Manager ihr Dilemma.
„Blockade der YPG könnte unerwünschte Aufmerksamkeit auf Geoblocking-Politik lenken“
Die Policy Managerin Monika Bickert warnte 2018 vor einer Blockade der YPG: „Das Geoblocking der YPG ist nicht ohne Risiko – Aktivisten außerhalb der Türkei werden unser Vorgehen wahrscheinlich bemerken, und unsere Entscheidung könnte unerwünschte Aufmerksamkeit auf unsere allgemeine Geoblocking-Politik lenken.“ Aber Facebook wägte ab. In einer internen Mail hieß es: „Wir sind für eine Geoblockierung der YPG-Inhalte, (…) wenn die Aussichten auf eine Vollsperrung groß sind.“ Es wurde eine Presseerklärung für den Notfall vorbereitet, in der es heißen sollte: „Wir haben eine gültige gerichtliche Anordnung von den Behörden in der Türkei erhalten, die uns auffordert, den Zugang zu bestimmten Inhalten zu beschränken. Nach sorgfältiger Prüfung haben wir der Anordnung entsprochen.“
Türkischer Angriffskrieg wird als Legitimation für Geoblocking der YPG herangezogen
Schließlich, am 26. Januar 2018, schrieb Joel Kaplan von Facebook: „Wir sind vorsichtig damit, einen Präzedenzfall zu schaffen, indem wir die Inhalte einer Oppositionsgruppe geoblockieren, nur weil eine Regierung die Organisation als illegal eingestuft hat. Diese Bedenken werden hier jedoch gemildert, da sich die YPG in einem bewaffneten Konflikt mit dem türkischen Militär befindet ... Daher sind wir dafür, die Inhalte der YPG zu geoblocken ...“ Sandberg, Zuckerberg und andere stimmten zu.
„Facebook hat Rechtsextreme geschützt und Dissidenten in der Türkei zensiert“
Der demokratische Senator Ron Wydon kritisierte Facebook angesichts dessen in ProPublica: „Facebook kann sich nicht den Autoritären beugen, um politische Dissidenten zu unterdrücken, und dann behaupten, nur ‚gesetzliche Anordnungen zu befolgen‘. Amerikanische Unternehmen müssen sich für die universellen Menschenrechte einsetzen, nicht nur für die Jagd nach größeren Profiten. Mark Zuckerberg hat große Änderungen an den US-Gesetzen zum Schutz der freien Meinungsäußerung gefordert, während er gleichzeitig Verbreiter von rechtsextremem Schmutz in USA geschützt und Dissidenten in der Türkei zensiert hat. Seine Priorität war es, die Mächtigen und den Gewinn von Facebook zu schützen, auch wenn das bedeutet, dass Randgruppen den Preis dafür zahlen.“