In den letzten Monaten nahm der rassistische Diskurs immer neue Dimensionen an. Angriffe auf Schutzsuchende nehmen auf allen Ebenen zu. Diese rechte Diskursverschiebung, die bis in die Bundesregierung reicht, schlägt sich offensichtlich auch in einem Anstieg der Angriffe auf Schutzsuchende und Unterkünfte nieder.
Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der fluchtpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Clara-Anne Bünger, hervorgeht, gab es bereits im ersten Quartal 2023 45 registrierte Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und 408 Straftaten gegen Geflüchtete außerhalb von Unterkünften. Dabei reichen die Angriffe auf Unterkünfte von Bedrohungen über schwere Brandstiftung bis hin zum Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen. Die Angriffe auf Schutzsuchende außerhalb von Unterkünften reichen von Beleidigungen und Bedrohungen über Sachbeschädigung bis hin zur schweren Körperverletzung. Die Bundesregierung berichtet in diesem Rahmen von 37 Verletzten, fünf von ihnen Kinder. Außerdem wurden drei Angriffe auf freiwillige Helfer:innen und Ehrenamtliche gemeldet.
Anstieg im Vergleich zu Vorjahr
In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurde damit bereits ein Drittel der Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Gesamtjahr 2022 erreicht (123 Angriffe). Dieser Anstieg zeichnete sich bereits im letzten Quartal 2022 mit 48 gemeldeten Angriffen ab. Ebenso verhält es sich mit den Angriffen auf Schutzsuchende außerhalb von Unterkünften. Die 408 für das erste Quartal 2023 gemeldeten Angriffe sind rund ein Drittel des Gesamtwertes des Jahrs 2022 (1.248 Angriffe). Deutlich wird die Zunahme, wenn man das erste Quartal 2022 zum Vergleich heranzieht. Damals wurden 243 Angriffe gemeldet. Damit hat sich die Zahl fast verdoppelt.
„AfD, Union, SPD und Grüne bereiten den Boden für rassistische Mobilisierung“
Bünger sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Straftaten gegen Geflüchtete und dem politischen Diskurs: „Der Anstieg ist höchst besorgniserregend, aber leider keine Überraschung. Seit Wochen erleben wir dramatische verbale Angriffe auf das Recht auf Asyl, Rufe nach verschärfter Abschottung und eine unerträgliche ,Das Boot ist voll'-Rhetorik. Daran beteiligen sich nicht nur Politiker:innen von AfD und Union, sondern auch Vertreter:innen von SPD und Grünen. Sie bereiten den Boden für rassistische Mobilisierungen auf der Straße und Gewalttaten gegen Geflüchtete.“
40 rassistische Hetzkundgebungen gegen Unterbringung von Schutzsuchenden
Das zeigt sich nicht nur in Straftaten, sondern auch in rassistischen Mobilisierungen vor Unterkünfte von Schutzsuchenden. Rassistisch aufgehetzte Bevölkerung und Neonazis versammelten sich zu Kundgebungen vor Unterkünften und hetzten gegen Schutzsuchende. Vierzig solcher Kundgebungen wurden für das 1. Quartal 2023 gemeldet. Hauptorganisator war das Bündnis der „Freien Sachsen“, ein Zusammenschluss aus Neonazis, Rechtsextremen und Corona-Leugnern. So war Sachsen auch ein Hotspot der rassistischen Hetze. In Westdeutschland übernahm die Organisierung der fünf außerhalb von Sachsen organisierten Kundgebungen vor allem die Neonaziorganisation „Der III. Weg“.
„Bundesregierung opfert Menschenrechte von Schutzsuchenden“
Bünger betont, angesichts dieser Zahlen bräuchte es ein „klares Signal gegen diese Rechtsentwicklung und ein Bekenntnis zum Recht auf Asyl“. Sie fährt fort: „Allerdings hat die Bundesregierung mit der jüngst erfolgten Zustimmung zur Reform des europäischen Asylsystems genau das Gegenteil gemacht. Sie hat gezeigt, dass sie bereit ist, die Menschenrechte von Schutzsuchenden zu opfern, wenn es einem vermeintlichen europäischen Burgfrieden dient.“