Als einen „Frontalangriff auf das Menschenrecht“ bezeichnete Tarek Alaowsr, flüchtlingspolitischer Sprecher der NGO Pro Asyl, die Einigung der EU-Innenminister:innen beim EU-Gipfel in Luxemburg.
Das Asylverfahren wird ausgehebelt und bei einem Großteil der Betroffenen auf die Makulatur eines Vorverfahrens reduziert. Damit wird das individuelle Recht auf Asyl noch stärker an allgemeine Anerkennungsquoten geknüpft. So sollen Menschen aus angeblich sicheren Herkunftsländern bereits an den Grenzen interniert werden. Zu diesen Ländern zählt neben den Maghreb-Staaten auch der türkische Staat. Die Türkei befindet sich auf der EU-Liste der sicheren Herkunftsstaaten, obwohl in Deutschland fast jeder zweite Geflüchtete aus der Türkei einen Schutzstatus erhält.
Auch Asylsuchende aus Kriegsgebieten sind betroffen
Auch Schutzsuchende aus Syrien und Afghanistan sind von der Entscheidung betroffen. Die Grenzverfahren sollen nicht nur auf Asylsuchende aus Herkunftsstaaten mit niedrigen Anerkennungschancen angewendet werden, wie es oft fälschlich heißt, sondern auch auf Personen, die über sogenannte sichere Drittstaaten wie die Türkei eingereist sind. Sie werden dann sofort ohne Prüfung der Schutzbedürftigkeit als unzulässig abgelehnt. Das bedeutet insbesondere in Bezug auf die Türkei eine Verstetigung des EU-Türkei-Deals. Andererseits wird das AKP/MHP-Regime in der Türkei damit die Möglichkeit erhalten, den EU-Staaten durch die de facto Geiselnahme der Schutzsuchenden immer neue Zugeständnisse abzupressen. Gleichzeitig soll die Drittstaatenregelung massiv ausgeweitet werden, so soll es ausreichen, wenn Teilgebiete eines Staates vermeintlich sicher sind. Schutzsuchende sollen in diesem Sinne sogar in Länder abgewiesen werden können, die sie nie zuvor betreten haben.
Familien mit Kindern im Haftlager
Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt dazu: „Das ist ein historischer Erfolg – für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten.“ Für diesen „Schutz der Menschenrechte“ stellte offenbar auch die Internierung von Familien mit kleinen Kindern keine rote Linie dar.
Gescheitertes Hotspot-System wird universalisiert
Was die Internierung in solchen Lagern bedeutet, ist bereits am gescheiterten Hotspot-System auf den griechischen Inseln abzusehen. Das abgebrannte Schreckenslager von Moria ist nur ein Beispiel dafür. Die Erfahrungen aus dem Hotspot-System spotten angekündigten Bearbeitungszeiten von zwölf Wochen. So befinden sich viele Menschen jahrelang in den Haftlagern auf den griechischen Inseln. Sie werden durch miserable Bedingungen dazu gezwungen, dem Druck zur „freiwilligen Rückkehr“ nachzugeben. Unabhängige Rechtsberatung und Kontrolle der Einhaltung der Rechte der Internierten ist kaum möglich. Nun wird dieses System der Internierung auf EU-Ebene universalisiert.