Vierzig Festnahmen bei Aktion von Istanbuler Samstagsmüttern

Die Istanbuler Samstagsmütter sind erneut von der Polizei angegriffen worden, 41 Personen wurden festgenommen. Unter ihnen befinden sich die Rechtsanwältin Eren Keskin und Ümit Efe von der Menschenrechtsstiftung TIHV.

Die Istanbuler Polizei hat mehr als vierzig Mitglieder und Unterstützende der „Samstagsmütter“ festgenommen. Grund sei ein Verstoß gegen ein behördlich angeordnetes Versammlungsverbot auf dem Galatasaray-Platz, teilte die Einsatzleitung mit. Unter den Festgenommenen befinden sich neben zahlreichen Angehörigen von „Verschwundenen“ auch mehrere Menschenrechtlerinnen, darunter die bekannte Rechtsanwältin Eren Keskin und Ümit Efe von der Menschenrechtsstiftung TIHV.

Zum 964. Mal kam die Initiative der Samstagsmütter heute in Istanbul zusammen, um ihrer seit Jahrzehnten bestehenden Forderung nach Auskunft um den Verbleib von Menschen, die in staatlichem Gewahrsam verschwunden sind, sowie die Bestrafung von „Morden unbekannter Täter“ Ausdruck zu verleihen. Von verschiedenen Startpunkten im zentralen Stadtteil Beyoğlu zogen die Beteiligten und solidarische Menschen, unter denen auch der YSP-Abgeordnete Heval Bozdağ war, über die Einkaufsmeile Istiklal bis vor den Galatasaray-Platz. Der Bereich war jedoch weiträumig durch Barrieren und Gitter abgesperrt.

Ein Großaufgebot der Bereitschaftspolizei war im Einsatz und kesselte die Gruppe ein, um zu verhindern, dass der Symbolort für den Kampf um Menschenrechte in der Türkei von den Samstagsmüttern betreten wird. Über vierzig Personen wurden gefesselt und abgeführt, teilweise mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Heval Bozdağ bezeichnete das als Folter. Es gebe keinen Grund, gewaltsame Festnahmen durchzuführen, da es keinen Widerstand vonseiten der Betroffenen gebe. Zudem monierte Bozdağ, dass sich die Sicherheitsbehörden mit ihrem Verbot gegen die Mahnwachen der Samstagsmütter über ein Urteil des Verfassungsgerichts hinwegsetzen.


Das höchste Gericht der Türkei hatte im Februar festgestellt, dass die seit 2018 angeordneten Demonstrationsverbote gegen die Initiative rechtswidrig sind, und Einwände des Innenministeriums verworfen, das die Einschränkungen der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit mit einer angeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Samstagsmütter begründet. Seit 24 Wochen finden die Mahnwachen der Gruppe deshalb wieder auf der Istiklal Caddesi statt in einer kleinen Nebenstraße vor der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD statt. Die Polizei ignoriert das Urteil des Verfassungsgerichts und löst den Protest Woche für Woche auf.

Anzeigen wegen Nichtbefolgens behördlicher Anordnungen

Eine Liste mit den Namen aller Festgenommenen wurde von den Samstagsmüttern wie folgt vorgelegt: Hanife Yıldız, Newroz Ali Tosun, İkbal Eren, Besna Tosun, Mikail Kırbayır, Maside Ocak, Hasan Karakoç, Ali Ocak, Eren Keskin, Leman Yurtsever, Ümit Efe, İrfan Bilgin, Hüseyin Küçükbalaban, Hüseyin Aygül, Nazım Dikbaş, Ömer Kavran, Deniz Aytaç, Mete Demircigil, Davut Arslan, Hünkar Yurtsever, Doğan Özkan, Türker Demirci, Necefkulu Arpaçay, Dilber Altun, Benan Koyuncu, Meltem Günbeği, Saffet Ercan, Fikret Aydın, Hüseyin Gazi Yaman, Murat Ekmez, Begali Kurnaz, Seyit Doğan, İsmail Yücel, Fatma Akaltun, Feray Kaya, Coşkun Canavar, Türker Demirci, Doğu Kan Uçan, Mukaddes Şamiloğlu, Taylan Beki sowie eine unbekannte Person, die zur Unterstützung anwesend war. Sie alle erwartet nun eine Anzeige wegen Nichtbefolgens behördlicher Anordnungen.

Synonym für das Schicksal der Opfer des „Verschwindenlassens”

1995 gingen Frauen in Istanbul zum ersten Mal auf die Straße, um analog zu den argentinischen „Madres de la Plaza de Mayo” auf festgenommene und dann verschwundene Verwandte in den 1980er und 1990er Jahren aufmerksam zu machen. Zwischen 1999 und 2009 mussten die Samstagsmütter ihre wöchentlichen Mahnwachen aussetzen, da die Polizei die Versammlungen regelmäßig auflöste. Seit einem vom Innenministerium angeordneten Großangriff auf die Samstagsmütter im Sommer 2018 ist der Galatasaray-Platz für die Initiative eine Sperrzone.