Vartinîs-Massaker: Verfassungsbeschwerde gegen Kassationsurteil

Der Rechtsbeistand der Opfer des Massakers von Vartinîs hat Verfassungsbeschwerde gegen die erst jüngst gefällte Entscheidung des Kassationsgerichts eingelegt. Die Anwälte wollen ein Wiederaufnahmeverfahren für alle Verantwortlichen erwirken.

Der Rechtsbeistand der Opfer des Massakers von Vartinîs hat Verfassungsbeschwerde gegen die erst jüngst gefällte Entscheidung des türkischen Kassationshofs in dem Fall aus dem Jahr 1993 eingelegt. Die Anwält:innen wollen ein Wiederaufnahmeverfahren für alle am Massaker beteiligten Militärs erwirken. Zudem fordern sie mit Blick auf die Verjährungsfrist einen baldigen Prozessauftakt. Bei dem Massaker in dem Dorf in der Provinz Mûş handelte es sich um einen Vergeltungsakt der türkischen Armee an der kurdischen Zivilbevölkerung. Zuvor war bei einem Gefecht mit PKK-Kämpfer:innen ein Offizier getötet worden.

In seinem Urteil von vergangener Woche kam das oberste Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der alleinige Verantwortliche des Massakers von Vartinîs, bei dem im Oktober 1993 neun Mitglieder einer Familie ermordet wurden, der damalige Hauptmann der Kreiskommandantur der türkischen Gendarmerie, Bülent Karaoğlu, gewesen sei. In seinem Fall ordnete der Kassationshof ein Wiederaufnahmeverfahren an, frühere Freisprüche für drei weitere beteiligte Militärs wurden bestätigt. 

„Mit der Entscheidung sind wir nicht einverstanden“, sagt Fuat Özgül, Vorsitzender der Anwaltskammer in Bedlîs (tr. Bitlis). „Der Kassationshof hat in seinem Urteil die Verletzung des Rechts auf Leben nicht berücksichtigt. Ferner ist nach dem Massaker keine wirksame Untersuchung durchgeführt worden.“ Die drei weiteren Militärangehörigen seien sehr wohl mitverantwortlich für das Massaker in Vartinîs, bei dem Mehmet Nasir Öğüt, seine schwangere Ehefrau Eşref Oran und sieben ihrer Kinder bei lebendigem Leib verbrannten. „Schließlich waren es diese Militärs, die das Haus der Familie Öğüt in Brand setzten, von außen abriegelten und somit verhinderten, dass diese Menschen den Flammen entkommen konnten“, so Özgül.

Darüber hinaus verlangen die Anwält:innen der Opfer, dass ein Haftbefehl gegen Bülent Karaoğlu ausgestellt wird. Die endgültige Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren muss bis zum 3. Oktober 2023 gesprochen sein. Dann wäre die Verjährungsfrist von 30 Jahren abgelaufen.