Parallel zu der seit Wochen immer aggressiver in der Türkei wütenden Lynchgewalt gegen Kurdinnen und Kurden zeigt sich auch in den Haftanstalten des Landes ein Anstieg von antikurdischem Rassismus. Ein aktueller Fall aus dem Gefängnis in der Stadtgemeinde Kandıra bei Kocaeli macht den Ernst der Lage deutlich. In dem Hochsicherheitsgefängnis in der Marmararegion werden zahlreiche prominente Oppositionspolitikerinnen als politische Geiseln festgehalten, darunter die ehemalige Ko-Vorsitzende der Partei der demokratischen Regionen (DBP), Sebahat Tuncel. Diese äußerte nun in einem Gespräch mit ihrem Rechtsbeistand, dass sich das Gefängnispersonal seit einigen Wochen „provozierend und repressiv“ gegenüber den Insassen verhalte.
Überfallartige Zählungen, körperliche Gewalt
„Seit dem 28. Juli etwa finden die morgentlich und abendlich durchgeführten Zählungen der Gefangenen und die sogenannte Lebendkontrolle überfallartig statt. Die Sache hat System, es kommt zu rassistischen Provokationen durch das Personal”, wird Tuncel von ihrem Rechtsbeistand zitiert. Am vergangenen Samstag habe diese Vorgehensweise bei einem Hofgang zu einer Eskalation geführt. Tuncel gab an, dass die Gefangenen aus dem Freistundenhof „unter dem Einsatz von massiver Gewalt“ in ihren Zellentrakt gezerrt worden seien. Ein an das Justizministerium gerichteter Brief der Frauen mit den Schilderungen der erfahrenen Gewalt wurde beschlagnahmt.
Sebahat Tuncel wurde im November 2016 verhaftet
Durch Sensibilität für Rechtsverletzungen den Blick auf Opfer lenken
Wie es weiter heißt, haben die Gefangenen inzwischen eine Beschwerde bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eingereicht. Sebahat Tuncel rufe die Öffentlichkeit zu einer höheren Sensibilität für Rechtsverletzungen in türkischen Haftanstalten auf, um den Blick auf die Betroffenen zu lenken. Die ohnehin menschenunwürdige Praxis in den Gefängnissen habe sich in der letzten Zeit drastisch verschärft.