Sebahat Tuncel an Regierung: Isolation sofort beenden

Die inhaftierte kurdische Politikerin Sebahat Tuncel hat beim Justizministerium einen Antrag auf Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan eingereicht.

Die inhaftierte kurdische Politikerin Sebahat Tuncel hat einen Antrag beim Justizministerium eingereicht, in dem sie die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan fordert. Die ehemalige Ko-Vorsitzende der Partei der demokratischen Regionen (DBP) bezeichnet darin die Haftbedingungen Öcalans als „systematische Folter“ und fordert sofortigen Zugang seiner Angehörigen und des Rechtsbeistands in das Inselgefängnis Imrali.

In dem bereits am 23. März eingereichten Antrag heißt es: „Grundlegende Menschenrechte und Freiheiten, verfassungsmäßige und gesetzlich verbriefte Rechte, müssen für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen gelten. Es gibt kein persönliches Sondergesetz und es darf so etwas auch nicht geben. Doch auf Imrali wird seit 22 Jahren ein auf eine Person bezogenes Sonderrecht exekutiert. Herr Abdullah Öcalan wird seit 22 Jahren in der Hochsicherheitshaftanstalt Imrali unter Bedingungen totaler Isolation festgehalten. Mit dem seit 22 Jahren über Imrali herrschenden Sonderrecht hält sich der Staat weder an Verfassung noch an Gesetz. Die Praktiken im Gefängnis Imrali sind zu einem System der Folter geworden. Dieses Foltersystem wird aus immer neuen Gründen jeden Tag verschärft und fortgesetzt. Herr Öcalan und Ömer Hayri Konur, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş, die unter den gleichen Bedingungen festgehalten werden, können von ihren Familien und Anwält*innen nicht besucht werden und ihr Recht auf Kommunikation nicht ausüben.

Die verfassungsmäßigen Rechte wurden ausgehebelt“

Während die Regierung die Isolation fortsetzt, hat das Europäische Komitee zur Verhinderung von Folter (CPT) in verschiedenen Gefängnissen in der Türkei Untersuchungen angestellt. In diesem Zusammenhang wurde auch das Gefängnis Imrali inspiziert. Das CPT stellte in seinem Bericht fest, dass ein Sonderregime auf der Insel Imrali herrscht, dass Isolation eine Form von Folter ist und dass die Türkei diese Praxis beenden muss. Doch während die Regierung in dieser Hinsicht Schritte hätte unternehmen und die Folter auf Imrali hätte beenden müssen, hat sie die Folter und Isolation vertieft und die Ausübung der rechtlichen und verfassungsmäßigen Rechte von Herrn Öcalan und seinen Mitgefangenen durch eine politische Entscheidung Ihres Ministeriums aussetzen lassen.

Besuchsverbote sofort aufheben“

Darüber hinaus haben weder seine Familie, seine Anwältinnen und Anwälte noch die Öffentlichkeit etwas über die Gesundheit von Herrn Öcalan und seinen Mitgefangenen vor dem Hintergrund der Pandemie erfahren. Während die Familie von Herrn Öcalan und das kurdische Volk sich aufgrund dieser Frage in tiefer Sorge befanden, wurden auf Social-Media-Accounts Behauptungen über das Ableben von Herrn Öcalan aufgestellt. Es wurde weder der Familie noch der Öffentlichkeit eine zufriedenstellende Erklärung gegeben. Die Gesundheit und Sicherheit von Herrn Öcalan und seinen Freunden liegen in der Verantwortung der Regierung und des Ministeriums. Es gibt allerdings eine ernste, öffentliche Skepsis in dieser Hinsicht. Es ist die Aufgabe des Ministeriums und der Regierung, diese Zweifel auszuräumen. Daher muss Herr Öcalan sofort von seiner Familie und seinem Rechtsbeistand besucht werden.

Foltersystem auf Imrali grundlegendstes Hindernis für Frieden“

Das Foltersystem Imrali ist das grundlegendste Hindernis für eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage und damit für die Schaffung eines gesellschaftlichen Friedens in der Türkei. In der Person von Herrn Öcalan wird der Frieden in der Türkei und der Wille der Völker isoliert. Imrali ist das Zentrum der antikurdischen Politik ihrer Regierung. Diese Politik hat die Türkei an den Punkt einer politischen, sozialen und ökonomischen Krise gebracht. Solange die Politik der Lösungsverweigerung und der Isolation anhält, solange der Wille des kurdischen Volkes ignoriert wird, werden sich diese Krisen weiter verschärfen. Der Wiederaufbau von Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Türkei hängt davon ab, ob die Regierung den Dialog und die Verhandlungen über eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage wieder aufleben lässt und die Politik der Isolation beendet. Die Ohren der Regierung sind allen Appellen gegenüber verschlossen. Ihr Ministerium sollte diesen Forderungen folgen und die Hindernisse für die Garantie aller gesetzlichen und verfassungsmäßigen Rechte von Herrn Öcalan und seinen Mitgefangenen beseitigen. Dies gilt insbesondere für das Recht auf Kommunikation, auf Anwalts- und Familienbesuch.

Wenn die Isolation nicht beendet wird, werden die Hungerstreiks weitergehen“

Tausende Menschen nahmen an dem 200-tägigen unbefristeten Hungerstreik teil, der im November 2018 unter der Führung der HDP-Abgeordneten Leyla Güven mit dem Ziel, die Politik der Isolation zu beenden und die kurdische Frage demokratisch und friedlich zu lösen, begonnen worden war. In diesem Rahmen gab damals der Justizminister, Herr Abdülhamit Gül, bekannt, dass es keine rechtlichen Hindernisse für Besuche bei Herrn Öcalan und seinen Mitgefangenen auf Imrali gebe. Anschließend, nach einem Besuch des Rechtsbeistands und der Familie Öcalans, wurden die Hungerstreiks beendet. Doch diese Phase dauerte nicht lange. Die verfassungsmäßigen und gesetzlich garantierten Rechte von Herrn Öcalan und seiner Mitgefangenen wurden von der Regierung erneut, diesmal unter dem Vorwand einer ‚Disziplinarstrafe‘, geraubt.

Der im November begonnene unbefristete, in Fünftagesschichten rotierende Hungerstreik, an dem ich ebenfalls teilnehme, um Herrn Öcalans Gesundheit und Sicherheit zu garantieren, die kurdenfeindliche Politik der Lösungsverweigerung und Besatzung sowie die Politik der Repression, der Festnahmen und Inhaftierungen gegenüber dem kurdischen Volk, den Frauen und der demokratischen Opposition zu beenden und die Rechte im Gefängnis, die unter dem Vorwand der Pandemie ausgehebelt wurden, wieder in Kraft setzen zu lassen, wird so lange weitergehen, bis Sie Ihre Politik der Isolation ändern.“