Brief von „Peace in Kurdistan” an Abdullah Öcalan

Abdullah Öcalan feiert heute seinen 72. Geburtstag. Dies nahm die in Großbritannien ansässige Kampagne „Peace in Kurdistan” zum Anlass, einen Brief an den kurdischen Vordenker zu verfassen.

Die in Großbritannien ansässige Kampagne „Peace in Kurdistan” hat einen Brief an Abdullah Öcalan verfasst. Anlass ist der Geburtstag des Vordenkers der kurdischen Befreiungsbewegung, der heute 72 Jahre alt geworden ist. Das Rechtsbüro Asrin, das Öcalan seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenia auf die Gefängnisinsel Imrali in der Türkei im Februar 1999 juristisch vertritt, will den Brief persönlich aushändigen, sobald Anwaltsbesuche wieder möglich sind. Der Peace in Kurdistan Campaign gehören namhafte Persönlichkeiten wie etwa Noam Chomsky, Jeremy Corbyn und Kariane Westrheim an. Schirmherrin der Kampagne ist Rahila Gupta.

„Wir freuen uns auf den Tag der Freiheit, an dem wir alle Anlässe wie diese im Kreis der Familie, mit Freunden und Weggefährten begehen können.

Wir teilen mit dem kurdischen Volk die tiefe Besorgnis über den gegenwärtigen Zustand Ihrer Gesundheit und Ihres Wohlergehens; unsere Ängste werden natürlich durch die hartnäckige Weigerung der türkischen Staatsbehörden, Treffen mit Ihren Anwälten und Familienbesuche, die seit bald einem Jahrzehnt nur sehr spärlich genehmigt werden, noch verschlimmert.

Als Organisation setzen wir uns weiterhin für Ihre Freiheit ein und fordern das Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) des Europarates auf, seiner Pflicht nachzukommen und Sie zu besuchen, um Ihren Gesundheitszustand, Ihre Behandlung und die Haftbedingungen zu überprüfen. Eine solche Intervention würde zumindest einen Teil der Ängste der Menschen zerstreuen, die nach wie vor zutiefst besorgt sind, und sie würde auch dazu beitragen, die gesellschaftlichen Spannungen abzubauen, die sich an der Belastungsgrenze befinden.

Durch Ihre Schriften und Ihre politische Führung haben Sie Generationen von kurdischen Frauen und Männern inspiriert. Dieses Vermächtnis ist ein historischer Gewinn für das kurdische Volk und wirkt unter der Jugend, den Frauen und der gesamten Gesellschaft fort. Es  inspiriert die kurdische Kunst, Musik und Kreativität ebenso wie die politische Aktion. Insbesondere die kurdischen Frauen stehen heute an der Spitze des Kampfes dieses Volkes wie nie zuvor in der Geschichte.

Die kurdische Freiheitsbewegung ist stark und sehr widerstandsfähig, die Stimmung der Menschen ist trotz allem, was ihnen entgegengeworfen wird, hoch und wir sind alle entschlossen, trotz der Umstände von Erdogans Unnachgiebigkeit, Fortschritte zu machen.

Präsident Erdogan wirft die Türkei zurück in die 1990er Jahre, eine Zeit, die das dunkelste Jahrzehnt in der Geschichte des Landes war und an die sich diejenigen, die diese Erfahrungen durchlebt haben, mit schlimmer Ahnung und Sorge erinnern. Ein Nachhall dieser schrecklichen Jahre findet sich in den Verboten legaler politischer Parteien der Kurden, den politischen Gefangenen, Beweisen für systematische Folter und weit verbreiteter Diskriminierung der grausamsten Art.

Wir glauben, dass der einzige solide Weg, der offen ist, die Rückkehr zum Friedensprozess ist, für den Sie trotz aller Einschränkungen ein Leben lang Gedanken und Anstrengungen aufgewendet haben, und dass früher oder später die Gespräche auf irgendeiner Ebene wieder aufgenommen werden. Wir arbeiten hart daran, dies zu erreichen, so wie auch das kurdische Volk all seine Energien und Aktivitäten dafür einsetzt, Frieden und Freiheit zu gewinnen.

Als Gründer der kurdischen Freiheitsbewegung sind Sie ein integraler Bestandteil des Friedensprozesses und Garant für dessen Erfolg. Wir drängen weiterhin auf die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Regierung in Ankara und den wahren politischen Vertretern der Kurden, deren unangefochtener Repräsentant Sie sind.

Es liegt zwar nicht in unserer Hand, Ihnen die Freiheit zu schenken, aber unsere Bemühungen, sie zu erreichen, sind unverändert und wir arbeiten jeden Tag für dieses Ergebnis.”