Türkei: Rechtsverletzungen für Gefangene nicht hinnehmbar

„Die Rechtsverletzungen in den Gefängnissen, insbesondere gegenüber den politischen Gefangenen, sind nicht mehr hinnehmbar“, erklärt Rechtsanwalt Veysi Eski und fordert die Öffentlichkeit auf, sich mit den Gefangenen zu solidarisieren.

Unter dem Vorwand der Pandemie wurden die Haftbedingungen in den türkischen Gefängnissen massiv verschärft. Während im Rahmen einer Vollzugsreform zehntausende Häftlinge, unter ihnen rechtsextreme Mafia-Bosse und Gewalttäter, entlassen wurden, sind die Bedingungen für die politischen Gefangenen eskaliert. Inhaftierte Kranke sind aufgrund der Isolation in Lebensgefahr. Der Anwalt Veysi Eski, Mitglied der Gefängniskommission des Vereins der Jurist*innen für die Freiheit (ÖHD), äußert sich im ANF-Gespräch zur Situation.

Sie trampeln auf den Rechten der Gefangenen herum

Zu den Auswirkungen der Gesetzes- und Verfassungsänderungen der letzten Jahre sagt Eski: „Die politische Macht schreckt nicht davor zurück, alle gesetzlichen Regelungen, ja sogar Verfassungsänderungen, auf böswillige und betrügerische Weise zu nutzen. Während bisher nur die positiven Seiten in der Öffentlichkeit dargestellt wurden, handelt es sich bei diesen Gesetzen um einen massiven Entzug von Rechten, insbesondere für die gesellschaftliche Opposition.“

Rechtsanwalt Veysi Eski

Ein Beispiel dafür sei das Vollzugsgesetz. Die Debatte wurde mit dem Argument eines Amnestiegesetzes eröffnet, in der Folge waren zehntausende Verbrecher und Straftäter entlassen worden. „Demgegenüber werden die politischen Gefangenen der Willkür der Vollzugsgremien überlassen, was vorzeitige Haftentlassungen betrifft. In diesen Vollzugsgremien urteilen Nichtjuristen über die Gefangenen. Sie werden damit zu einem neuen Teil der Judikative gemacht. Haftentlassungen der politischen Gefangenen, die von der Gefängnisleitung in ‚parteiischen Zellentrakten‘ untergebracht worden sind, werden eben mit der Begründung, sie hätten sich für die Unterbringung in politischen Zellen entschieden, verhindert.“

Verletzung der Privatsphäre

Veysi Eski weist darauf hin, dass ein System von Kommunikation über Kameras und Mikrofone in den Gefängnissen vor der Fertigstellung stehe und die Anbringung dieser Anlagen in den Zellen eine Verletzung der Privatsphäre darstelle: „Diese Praxis bedeutet eine vollständige Herrschaft über Geist und Körper des Gefangenen. Sowohl die Einrichtung dieses Systems in den Zellen als auch der willkürliche Entzug der Besuchsrechte widersprechen sowohl dem in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geregelten Recht auf Privatsphäre, als auch dem in Artikel 3 festgelegten Verbot von entwürdigender und unmenschlicher Behandlung und dem in Artikel 14 geregelten Verbot von Diskriminierung."

Die Gefangenen sind isoliert

Besonders belastend für die Gegangenen ist die Isolation. Eski beschreibt die Lage mit den Worten: „Aufgrund von willkürlichen Entscheidungen befinden sich die Gefangenen in Isolation. Viele Gefangene werden ohnehin schon entgegen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Verfassungsgericht tausende Kilometer weit von ihren Familien entfernt inhaftiert.“

Laut Eski müssten die demokratische Öffentlichkeit, Anwaltskammern und juristischen Institutionen „aufstehen“ und gegen diese Verordnung kämpfen. „Die Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen sind unerträglich, insbesondere für politische Gefangene."