Samstagsmütter fordern Gerechtigkeit für Mehmet Nezir Duman

Mehmet Nezir Duman wurde vor 31 Jahren von der Todesschwadron Hizbullah verschleppt und vermutlich ermordet. Die Samstagsmütter und die Menschenrechtsstiftung der Türkei fordern die Aufklärung seines Schicksals und die Bestrafung der Täter.

Die Istanbuler Samstagsmütter haben zum 985. Mal nach dem Schicksal ihrer in staatlichem Gewahrsam verschwundenen Angehörigen gefragt und eine Bestrafung der Täter gefordert. Thematisiert wurde der Fall von Mehmet Nezir Duman, der 1993 in Hezex (tr. Idil) verschleppt wurde und danach nie wieder aufgetaucht ist. Seine Angehörigen kämpften jahrelang vergeblich für die Aufklärung des Verschwindenlassens des Kurden. Die türkische Justiz ließ die Sache so lange hinauszögern, bis die Verjährung eintrat.

„Die Verjährung steht im Widerspruch mit der Bestrafungspflicht des Staates, da sie schließlich Straffreiheit bewirkt“, erklärte Ümit Efe, Vertreterin der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV). Sie forderte die türkische Regierung auf, die Gesetze anzupassen und die Verjährung im Fall Duman aufzuheben. Der Ablauf einer bestimmten Zeit dürfe beim Verschwindenlassen von Menschen niemals zur Straffreiheit für Täter führen, sagte Efe. Anschließend verlas sie eine Erklärung über das Leben von Mehmet Nezir Duman.

Paragraf 77 des türkischen Strafgesetzbuches regelt die strafrechtliche Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deren Vollstreckung nicht verjährt. Dagegen tritt die Verjährung bei Mord und anderen Straftaten, die mit lebenslanger Haft bedroht sind, nach dreißig Jahren ein.

Der zum Zeitpunkt seines Verschwindenlassens 29-Jährige war Vater von sieben Kindern und lebte mit seiner Familie in der kurdischen Stadt Hezex im Westen der Provinz Şirnex (Şırnak). Seinen Unterhalt verdiente er sich als Taxifahrer. Es war die Hochphase der Politik der verbrannten Erde; eine Strategie des türkischen Staates, die Dorfzerstörungen, die Vertreibung Hunderttausender Menschen und extralegale Hinrichtungen umfasste, um im Rahmen der „Aufstandsbekämpfung“ der kurdischen Guerilla das Rückgrat zu brechen. Kurdistan galt quasi als rechtsfreier Raum und die Bewohnerinnen und Bewohner als Staatsfeinde. Auch Mehmet Nezir Duman bekam diese Politik immer wieder zu spüren. Mehrfach wurde er grundlos festgenommen und tagelang auf den Revieren von Polizei und Gendarmerie misshandelt. Zudem erhielt er Todesdrohungen.

Am 12. Februar 1993 fuhr Mehmet Nezir Duman mit seinem Taxi mehrere Passagiere von Hezex nach Midyad. Da es bereits spät war, machte er sich erst am nächsten Tag auf den Rückweg. Wie mehrere Zeugen später gegenüber seinen Angehörigen und den Behörden äußerten, wurde Dumans Taxi am 13. Februar 1993 unweit der Ausfahrt zu einem Feldweg, der in das sechs Kilometer von Hezex entfernte Dorf Xarabê Rapo (Tepeköy) führt, von einem anderen Fahrzeug von der Straße gedrängt.

Aus dem Wagen stiegen vier bewaffnete Männer aus, die von Zeugen als Dorfschützer und Mitglieder der radikalislamistischen „Hizbullah“, die in Kurdistan als Todesschwadron des türkischen Staates agierte, erkannt wurden. Drei von ihnen zerrten Mehmet Nezir Duman in ihr Auto, der vierte folgte ihnen mit dem Taxi des Kurden. Das ist das letzte, was von ihm bekannt ist. Seine inzwischen in Deutschland lebende Ehefrau ist sich sicher, dass Mehmet Nezir Duman an jenem Tag ermordet wurde. Sie fordert vom türkischen Staat die Herausgabe seiner sterblichen Überreste, um ihm wenigstens eine würdevolle Bestattung zu ermöglichen.