Die Initiative der Istanbuler Samstagsmütter ist zum 984. Mal zusammengekommen, um die staatliche Praxis des „Verschwindenlassens” anzuprangern und Gerechtigkeit für die Opfer zu fordern. Die Kundgebung fand vor dem Galatasaray-Gymnasium auf der Istiklal Caddesi statt. Thematisiert wurde heute das Schicksal des Kurden Maksut Tepeli, der vor 40 Jahren nach seiner Festnahme in Istanbul verschwunden ist. Von dem Fall berichtete Gülseren Yoleri, Vorsitzende der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins (IHD) und Rechtsanwältin der Familie Tepeli.
Maksut Tepeli wurde 1956 in Gimgim bei Mûş geboren und war Lehrer. Er hatte in Mêrdîn und Ezîrgan unterrichtet und war zusammen mit seiner Frau Şehriban, die ebenfalls Lehrerin war, in der linksdemokratischen Bildungsgewerkschaft TÖB-DER organisiert. Anfang 1980 kam das Paar für fünf Monate in Untersuchungshaft, nach der Entlassung ließ es sich in Istanbul nieder. Doch als sich das Militär im September desselben Jahres an die Macht putschte, landeten die Namen von Maksut und Şehriban Tepeli auf einer „Feindesliste“ des Regimes. Sie tauchten unter und verbrachten einige Jahre in der Anonymität – bis zum 2. Februar 1984.
An diesem Tag befand Maksut Tepeli sich auf dem Weg zur Wohnung eines Freundes im Istanbuler Stadtteil Küçükbakkalköy. Als er feststellte, dass die Tür aufgebrochen war, versuchte er zu flüchten und wurde angeschossen – die Polizei hatte die Wohnung schon länger observiert und sich am Tag des Übergriffs dort einquartiert. Trotz hohem Blutverlust wurde Maksut Tepeli in eine Decke gewickelt zur politischen Polizei in Gayrettepe gebracht. Nach Angaben von drei im Zuge derselben Operation festgenommenen Zeugen wurde er von der Polizei so stark gefoltert, dass er am 5. Februar ins Koma fiel und ins Militärkrankenhaus Haydarpaşa eingeliefert wurde. Seitdem galt er als verschwunden. Die Behörden verleugneten, dass Tepeli jemals festgenommen wurde.
Neunzehn Jahre später erfuhr die zwischenzeitlich nach Jahren des Exils in die Türkei zurückgekehrte Şehriban Tepeli durch Zufall, dass ihr Ehemann von den Behörden als „verstorben“ in das Familienregister eingetragen worden war. Als Todestag ist der 6. Februar 1984 angegeben. Etliche Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft und intensive Recherchen des Menschenrechtsvereins IHD ergaben 2006, dass Maksut Tepeli tatsächlich am 6. Februar 1984 an den Folgen seiner schweren Verletzungen im Krankenhaus gestorben war und auf dem Friedhof Helvacıdede anonym begraben wurde. „Nach jahrelangen Initiativen gaben die Behörden zu, dass er dort beerdigt wurde, aber der genaue Ort der Grabstelle ist immer noch nicht bekannt“, sagte Gülseren Yoleri.
Şehriban Tepeli ergänzte, dass die von ihrem verstorbenen Mann innig geliebte Tochter inzwischen erwachsen ist und selbst Kinder hat: „Mein Mann hat seine Enkel nie gesehen. Wir werden unseren Kampf für Gerechtigkeit nicht aufgeben.“